- 414 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Musik, der große Johann Mattheson, zuweilen galant genannt hat. Die erste der drei Strophen lautete also:

Herr, in Deinen Lager-Räumen
Darf mein Mund nicht länger säumen
Dich in Deiner Herrlichkeit
Mehr zu rühmen alle Zeit
Täte ich, o Herr, dies nicht
Wäre ich ein Sündenwicht
Wäre ich ein böser Schurke
Bitter fast wie eine Gurke

Auch der Hofpoet, ein schwammiger Mann mit Namen Johann Regenwald Becher, hatte den Fürsten nicht überzeugen können, das wundersame Schlußbild nicht dadurch zu schwächen, daß der Geschmack verfälscht werde, welcher doch bei Gurken eindeutig sauer und nicht bitter zu nennen sei. Die Ersetzung des unpassenden Adverbii tue dem Werk keinerlei Eintrag, sondern vermehre dessen Glanz. Der Fürst aber, hierbei ungewohnt ruhig und fast heiter, bedeutete, der Herr Hofpoet möge sich bescheiden, könne er doch von dergleichen Künsten nichts wissen, da sie aus der Musik stammten und dort als figura der heterolepsis die Ergreifung eines Gegenstandes durch ein anderes, ihm fremdes subjectum vorstelle. Oder ob er meine, Er, Fürst Käsehart, wisse nicht, daß Gurken sauer schmeckten? Hier hatte der Poet sich schnell empfohlen, zumal es ihm ebensowenig gelungen war, den fürstlichen Dichter davon abzuhalten, die beiden folgenden Strophen in den ersten sechs Zeilen genau gleich der ersten Strophe herzustellen und nur die beiden Schlußzeilen jeweils abzuändern. »Hier gibt’s, Sapperment, nichts Bessers zu sagen!«, hatte der Fürst, nun schon etwas unmutig, den Poeten angeherrscht. »Was nutzt der ganze variierende Firlefanz, wenn doch der Kern gleich ist und immerdar bleiben wird, Potzwetter?« Variationen seien für die Menschen, aber nichts für Gott, den Herrn. Für diesen reiche es nicht nur, sondern es sei sogar die einzige Möglichkeit ihm gegenüber, immer wieder das Gleiche auszusprechen. Denn Gott sei unteilbar, genau so wie die Liedstrophe. Diese sei ein Symbolum. Ob Er verstehe, was das bedeute? Deshalb habe er auch nur die Schlußzeilen verändert, denn die seien auf die Menschen gemünzt, »damit ein kräftiges Bild da ist für jede Art von Bösewichtern, die der Teufel holen soll.« So endeten denn die beiden folgenden Strophen

Wäre ich nach Art des Judas
Abbild eines faulen Luders

und

Wäre ich ein stetiger
Gottloser Häretiker


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