Der rechte Augenblick schien gekommen, als Fürst Käsehart für seine Leistungen bei
Verfeinerung des vierstimmigen Kirchenchorals vom Kaiser zum Unmittelbaren
Reichsfürsten erhöht wurde und zur Feier dieser Ernennung ein einwöchiges Freudenfest
einrichten ließ, dessen Abschluß und Höhepunkt eine Kirchenmusik sein sollte,
bei der eines der gerühmten Tonstücke des Fürsten zur Aufführung gebracht
werden sollte, in der Schlußkadenz aber die Wilhelmsche Akkordlösung, der
Quark-Kümmel-Akkord, unter Aufbietung der gesamten Hofkapelle, der Stadtpfeifer
und der Fürstlichen Trompeter und Pauker. Hier nun gedachte Wilhelm, den
Spielenden statt der vorbereiteten Notenblätter des Akkordes, welche jeweils
nur einen einzigen Ton enthielten, den neuen Akkord und seine Auflösung in
jeweils zwei Tönen unterzuschieben und dadurch sowohl den Fürsten als auch
das übrige Publikum zugleich zu überraschen und zu erfreuen, schrieb also
mehrfach h und c, as und g, f und e sowie des und c, dabei im Eifer den zwischen
zweiter und vierter Stimme auftretenden Quintenfehler übersehend, welchen
der Teufel in seiner abgründigen List und Tücke in die Progression versteckt
hatte.
Der Tag rückte heran, welcher die Kirchenmusik enthalten und damit den Beschluß einer
unter belustigenden und belehrenden Festen und Feiern abgelaufenen Woche abgeben
sollte. Das ganze Städtchen war über und über geschmückt, und die Bevölkerung war
von den verwichenen Tagen und von der Ehre, die auch auf sie durch die Erhöhung des
Fürsten fiel, mit diesem selbst erfreut und erhoben. Die festliche Gemeinde war im
Schein zahlloser Lichter und Fackeln im Gotteshause versammelt, und drängte an den
Türen noch eine große Menge nach, die musikalische Krönung der Woche zu erleben.
Nach einer eindrücklichen Predigt durch den Superintendenten selbst, Hochwürden
Seiberling, über Römer 15, Vers 22 – »Das ist auch die Ursache, warum ich vielmal
verhindert worden, zu euch zu kommen« –, einen Text, den er äußerst kunstvoll, wenn
auch etwas gezwungen mit der langen Dauer in Zusammenhang brachte, der es
zur Lösung des Akkordrätsel bedurft hatte, begannen die Musikanten sich zu
ordnen und ihre Noten mitsamt dem ominösen Notenblatte aufzustellen, welches
Wilhelm heimlich im Morgengrauen ausgetauscht hatte, indem er den Küster
bedeutet hatte, er müsse auf Geheiß des Fürsten die Orgel überprüfen und
möglicherweise neu stimmen, auf daß sein Akkord auch rein erklinge und nicht mit den
anderen Instrumenten bei dem überraschenden Zusammenklingen der Tonmassen
dissoniere.
Nach geendigter Predigt stand Hauptkantor Heinrich Hespos, hinter seinem Rücken
überwacht vom Fürsten selbst, von seinem Stuhle auf und ließ die Hände niederfahren.
Und das fromme Spektakel hob an. Die Worte des Schlußchorales, an dessen Ende das
erstaunliche Phänomen zum Vorschein kommen sollte, hatte Johann Käsehart aus
eigener Feder fließen lassen. Ihr Eindruck war mitsamt den künstlich gesetzten
Harmonien zugleich gelehrt und erhaben, entbehrte auch nicht jenes melodischen
Flusses, den Deutschlands erster Weltweiser in der