- 412 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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»Was gibst du mir für einen neuen Stock?«

Wilhelm sagte kein Wort und starrte das gehörnte Unwesen an. »Nichts«, antwortete er dann.

»Was gibst du mir, wenn dein Bein gesund wird?«, fragte der Teufel weiter.

»Nichts«, antwortete Wilhelm abermals.

Der Teufel sah ihn unverwandt mit seinen glühenden Augen an, trat einen Schritt auf ihn zu und sagte zum dritten:

»Gib mir deinen Namen, und ich will dein Bein gesund machen und dir eine zweite Lösung für den Akkord geben. Mit der wirst du reich werden.«

Wilhelm überlegte nicht lange: »Gut, abgemacht, so wahr ich Wilhelm Schweinebraten heiße.« Der Teufel war’s zufrieden, und Wilhelm bekam ein gesundes Bein. Voll Jauchzen hüpfte er auf und ab und fühlte die neue Kraft in den Gliedmaßen.

»Und hier der Akkord«, sagte der Teufel: »Der neue Akkord heißt die Tritonus-Substitution.
Du hast G7 und willst nach C. Nimm vom G7 nur das h und das f, erniedrige das d um ein semitonium zum des, und füge nun die kleine None hinzu, das as. Nun stelle alles auf das des, und du kannst leicht und überraschend nach C, wenn du alle Töne um ein semitonium bewegst. Bedenke aber auch, daß über dem des mit einer leichten Verwechslung des h auch ein Des7 zu erblicken ist und wohin er führen kann! Nun lebe wohl! Und du wirst mir zu Diensten sein, wenn ich deinen Namen rufe, wo du auch bist, Schweinebraten!« Damit verschwand er, ohne auch nur einen Fuß gerührt zu haben. Wilhelm aber wanderte lustig nach W. . . und wiederholte immer wieder die Akkordfolge. »Tritonus-Substitution!« rief er ein ums andere mal und schritt weit aus mit seinem neuen Bein.

* * *

Wilhelm erfuhr in W. . . durch den Bürgermeister Stiefel seinen wahren Namen und erhielt unter diesem nicht nur die Anerkennung seines Akkordes, sondern auch den übermäßigen Quinten-Orden aus der Hand des Fürsten, wurde sogar für die Mitgliedschaft in der Kaiserlichen Kommission vorgeschlagen. Den neuen Teufels-Akkord jedoch behielt er für sich und wartete auf den rechten Augenblick, ihn anzubringen, hatte ihn aber auf einem Blatte so festgehalten, wie der Teufel ihn entwickelt hatte. Immer wieder blickte er heimlich auf das Blatt.


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