- 410 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Immer wieder die rätselhafte Tonmasse anschlagend und belauschend, ließen sich die Anwesenden im Wechsel vernehmen. Der Fürst, dem man ohne Not den Vortritt ließ, fuhr gleich los: »Schockschwerenot! Wie Er da mit jeder Hand zu vier Fingern in die Tasten einhaut, das ist mir ja, Hagel und Wetter, ein Meisterstreich!« Doch Wilhelm wich gewitzt dem Fausthieb aus. »Und eine edle Dreistigkeit in der Beachtung der beiden symmetrischen Körperhälften«, fügte der Medicus an. »Ja, jetzt erst seh ich’s, wie die Daumen übereinander schlagen. Da ist der Theoreticus zugleich mit dem Practicus zufrieden. Und die Daumen-Spielweise in dieser Art, ist sie nicht gänzlich neu, oder irre ich hierin, Herr Kantor?«, frug Meister Eygelb. Dieser nickte beifällig: »Ja doch, gewiß, eben drum, ganz so ist’s, so gewiß, wie Ihr hier steht, genau so! Und wie verständig ausgedacht: Er braucht nur die linke Hand zu heben, so hat er die Lösung. Und dabei in der rechten Hand den Daumen oder den kleinen Finger gehoben, und schon hat Er die Lösung mollis oder durum.« »Meiner Treu!«, brach es aus dem Fürsten: »Der Eierkuchen des Kolumbus!« Musicus Muckenfänger blinzelte vergnügt. Die Primadonna aber schoß den Vogel ab: »Unte fehlte zu ottava totale soltamente eine einziges Ton. Ist der la, der a! Alle andere Ton sinte da.« »Potzwetter, Madame, exzellent!«, rief der Fürst, und alle anderen: »Brava!«, »Die weiß es zu sagen!«, »Vivat!«, »Evviva Italia!«, »Teufelsweibsbild!«, »Ja, die Italiener, die sind uns über!«, »Aber nur in der Musik.« Wilhelm sah die Colafinio glühend vor Dankbarkeit an. Sie hatte das Herzstück seiner Erfindung wahrgenommen und den anderen entdeckt. Der Fürst aber setzte noch einen drauf: »Und was bedeutet das a wohl, ihr Schlauköpfe?« Da kam es zurück: »Adebar«, »Analyse«, »Abakadabra«, »Atlantik«, »Ayatolla«, »Adam und Eva«, »Analogieschluß.« Doch der Fürst winkte ab: »Nichts da, ihr Schafköpfe! Das a steht für das, was die Erfindung unseres Wilhelm in Wahrheit ist: affengeil!« Da dröhnte das Gewölbe vor Gelächter: Hihi und Haha, Hehe und Hoho, Huhu und e–e (die Italienerin). Und der Fürst selbst: Harharhar!

* * *

»Sag Er einmal A!«, sprach der Zahnmedicus der Residenzstadt Wilhelmen an, um mögliche Schäden auszuspähen und vielleicht gar zu beheben. Diese wie auch andere ärztliche Prüfungen standen vor der Berufung Wilhelms auf den Posten eines Accessisten des Hoforganistenamtes in der Residenz, welchen Fürst Käsehart als Belohnung für Wilhelms aufsehenerregende Akkord-Manipulation leutselig zugesagt hatte. Auch war der neue Akkord sofort der Kaiserlichen Musiktheoretischen Kommission zu Wien zugeleitet worden zur Prüfung und zur Aufnahme in das Programm der Höheren Musikalischen Lehranstalten des gesamten Reiches, und zwar unter dem von Eygelb vorgeschlagenen Titel Quark-Kümmel-Akkord, der zwar die Eigenständigkeit der Erfindung andeutete, zugleich aber eine Verbindung zu anderen, altbewährten Akkordformen herstellte wie dem Quartsextenakkord und anderen. Sowohl von der Kommission als auch vom Konsistorium in A. . . kamen alsbald Schreiben, man stehe


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