- 408 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Wiederum versammelte sich das Volk auf den Gassen, um einen Besucher zu empfangen. Diesmal aber war es der Landesfürst. Johann Wismut Käsehart Friedrich saß, hingegossen gleich einer guten Mettwurst, in seiner Kalesche, welche von vier edlen Arabern gezogen wurde, vorn und hinten begleitet von je sechs prächtig gewandeten Dragonern, gefolgt von der dem Fürsten unentbehrlichen Husarenkapelle, auf dem Kutschbocke der berühmte französische Clarinbläser Jacques-Louis Cirauze-les-Lèvres, im Inneren des Wagens neben dem Leibspinett Ihre Durchlaucht, Ihr gegenüber Madame de Colafinio, welche huldvoll hinauswinkte auf die jubelnde Menge, während der Herrscher selbst über ein Blatt mit Noten gebeugt saß, welches er für die ihm angekündigte Begegnung mit dem jungen Wilhelm in Erinnerung an seine eigenen vormaligen Leistungen auf diesem Gebiete bereithielt.

Später saß man im Ratssaale beisammen und speiste, alles mit Ehrenketten, Ehrensäbeln und Ehrenhauben angetan und um den Fürsten geschart, nur Wilhelm abseits in einem einfachen, aber sauberen Kleide, so schüchtern, daß Meister Eygelb, altdeutsch in schwerem Leder und angetan mit übergroßen, das Gehen hindernden Stulpenstiefeln sowie einem Samtbarett, das ihn blind machte, ihn voranstoßen und dem Fürsten vorstellen mußte. Dieser sah erfreut auf, rülpste nach guter alter Sitte zum Gruße laut auf und rief, den Humpen in der Faust, mit hochrotem Antlitz:

»Hoho! Ei, Potzwetter! Da ist Er ja, vermaledeiter Notenteufel! Will Er sich nicht, Sapperment, zu mir setzen? Rückt einmal einen Klafter Euren Hintern beiseit’, Madame, und auch Ihr, Herr Bürgermeister, damit auch Meister Eygelb zu Stuhle kommt, so wahr er einmal hier ist, Sapperlot! Ich habe Wichtiges mit den zweien zu verhandeln, Ei der Daus! Er, Meister Eygelb, kann er mir nicht ein formidables Rastral machen für den alten B. . . in L. . . ? Aber aus reinem G. . . muß es sein, aus nichts anderem, in drei Teufels Namen!« »Könnten Ihro Gnaden sich nicht ein wenig deutlicher vernehmen lassen, wenn’s beliebt?«, entgegnete der weise Alte. »Komm Er näher her zu mir!«, raunzte der Fürst und wisperte ihm etwas in die Ohrmuschel, die er indes nur erreichen konnte, indem er mit einer vom Tische gegriffenen Fleischgabel das Barett emporstemmte. »Ei gewiß doch!«, rief nun der Kalkant. »Potz Blitz! Das ist ein Kerl nach meiner Art!«, rief der Fürst dawider, wandte sich Wilhelmen zu und redete ihn an: »Potz, alle Wetter, mein Junge! Schockschwerenot und Hagel! Zeig Er mir, was er da hat auf seinem Wisch! Und wird’s damit endlich, Sapperment?« Bebend reichte Wilhelm das Blatt hin, welches der Fürst unter abermaligem Rülpsen an sich riß. Nach eingehendem Studium und währendem Grunzen, Nasebohren und Zähneblecken fuhr er aus dem massiveichenen und mit dem Landeswappen künstlich geschmückten Prunksessel empor und brüllte: »Ja, hol mich dieser und jener, Potzwetter und Blitz! Das ist die Lösung! Er hat’s, Ei der Teufel, Donner


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