- 406 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Wilhelm Altmann – wer kennt ihn nicht als denjenigen, der das Vorwort zur Eulenburg-Taschenpartitur Nr. 405 schrieb, herausgegeben von Max Unger, oder als Verfasser der berühmten Werke

Orchester-Literatur-Katalog,
Handbuch für Klaviertriospieler,
Handbuch für Klavierquartettspieler,
Handbuch für Klavierquintettspieler,
Führer durch die Violin-Literatur,
Literaturverzeichnis für Bratsche und Viola d’amour,
Verzeichnis für Klavier 4- und 6händig
oder des
Taschenbüchleins des Musikers?

Doch all das sind Früchte einer späteren Zeit, als er bereits über alle Kontinente berühmt war und vom einstmaligen Prinzen, dem Sieger des Wettbewerbes von W. . . , nunmehr aber regierenden Fürsten des Landes, mit dem übermäßigen Quinten-Orden ausgezeichnet worden war. Dieser weise Fürst und nachmalige Schirmherr so vieler sinnreicher Einrichtungen, der in alle Hinkunft hoch zu ehrende Johann Wismut Käsehart Friedrich, war eben zu jener Zeit, von der wir berichten und während derer der junge, hoffnungsvolle Wilhelm Altmann – weiterhin ohne Kenntnis seines Nachnamens – in seiner Eygelbschen Studierstube über dem baumbesäumten Gottesacker hinter dem Münster seinen harmonischen Experimenten nachging, im Begriffe, auf einer Inspektionsreise durch sein Land auch das ihm wohlbekannte Städtchen W. . . zu besuchen. Diese Nachricht traf die Bewohner wie ein Blitz aus dem heiteren Himmel, und auch der junge Forscher wurde von einem Teile dieser Kraft aus dem Sitz gehoben. Da gab es nur eines: Dem Herrscher die Lösung vor die Füße zu legen, der binnen nur dreien Tagen die Tore durchschreiten würde und selbst schon bei jenem denkwürdigen Wettbewerbe einige, wenn auch noch nicht die entscheidenden Schritte, die Wilhelm zu gehen im Begriffe war, vorangewandelt war.

Wilhelm bemerkte nur am Luftzuge, der seine gedankenheiße Stirn kühlte, daß jemand in die Kammer getreten war. Es war der alte Eygelb, der auf Zehenspitzen, das Licht in der Hand, zu ihm trat und ihm ohne ein Wort über die Schulter schaute. Auf dem Papiere hatte Wilhelm bereits ein g und ein h hingesetzt. »Brav!«, murmelte der Alte und legte seine Hand kurz und mit festem Druck auf Wilhelms Arm. Dieser sann nun lange nach, und nur das kratzende Geräusch durchbrach die Stille, welches die Hand des Zuschauers hervorrief, wenn sie über die Bartstoppeln fuhr. Wortlos zog er nun ein gerade eben erst gefertigtes, über die Maßen herrliches und wohl nur ihm gelingendes Rastral von lombardischen Degenstahl aus dem Wams und legte es Wilhelmen vor die Augen. »Probier’ Er’s einmal im Altschlüssel. Da erblickt Er’s wie in einem Brennspiegel, worum’s geht und wie’s zu lösen sei«, riet er flüsternd. Und richtig: Wie Wilhelm das meisterliche Rastral benutzt und den genannten Schlüssel, sodann die


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