Musik eröffnet »eine unersetzbare, durch kein anderes Medium zu
gewinnende Erkenntnis und Erfahrung von unserer natürlichen und sozialen
Umwelt«
24
Gibson zit. nach Hermann Josef Kaiser, Musikerziehung/Musikpädagogik, in: Lexikon der
Musikpädagogik. Sachteil, hg. von Siegmund Helms, Reinhard Schneider u. Rudolf Weber,
Kassel 1994, S. 177.
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»Die Aneignung unserer Welt erfolgt ganz wesentlich über die Aktivität der Sinne. Diese
Sinne liefern im Erkenntnis- und Erfahrungsprozeß je spezifische Informationen, die
durch keinen anderen Sinn gewonnen und daher durch ihn auch nicht ersetzt werden
können.«
25
Die sprachliche Kommunikation über Musik ist also auch eine Auseinandersetzung mit
dem eigenen sinnenhaften Erleben beim Musikmachen und Musikhören. »Sprechen über
Musik als ästhetisches Phänomen ist die Voraussetzung für das Nachdenken über
Musik.«26
Gunther Diehl, »...in einem Heißluftballon über die Welt schweben«. Zum Thema »Sprechen
über Musik« im Unterricht der Orientierungsstufe, in: Musik und Bildung, 28. (87.) Jg.
(1996), H. 3 (Mai/Juni), S. 8–13, hier S. 8.
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Nach Eggebrecht wird in einem transformatorischen Prozess, indem wir über Musik
reden, »das ästhetisch Erkannte auf die Ebene der Sprache«, ins »begrifflich Erkannte«
übertragen
27
Hans Heinrich Eggebrecht, Musik verstehen, München 1995, S. 130.
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Nur durch sprachliche Verarbeitung und Verständigung können die individuelle
Begegnung mit und persönliche Betroffenheit durch Musik bewältigt und damit
Erkenntnisse über sich selbst gewonnen werden.
Helmuth Plessner hat bereits 1951 Musikalität definiert als »das
Vermögen, Herr seines eigenen Mitgenommenseins durch die Töne zu
sein«28
Helmuth Plessner, Zur Anthropologie der Musik, in: Jahrbuch für Ästhetik und allgemeine
Kunstwissenschaft 1951, Stuttgart 1951 [hier zit. nach Dankmar Venus, Unterweisung im
Musikhören, Wuppertal 1969], S. 120.
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Dankmar Venus modifiziert diese Aussage und formuliert sie zu einem Ziel des
Musikunterrichts um: »Mitgenommensein durch die Töne und doch zugleich
nie die Herrschaft über das Mitgenommensein zu verlieren, erscheint daher
als eine [. . . ] Höreinstellung, der die unterrichtlichen Bemühungen gelten
sollten.«
29
Venus, a. a. O. (s. Anm. 28), S. 47.
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Dies ist freilich nur möglich durch Wissen über Musik, ihre Struktur und ihre
Wirkungen. Der Weg führt wiederum über die Sprache.
Schüler – und auch noch Studenten – befürchten oft, dass sich die intellektuelle
Auseinandersetzung mit Musik negativ auf das eigene musikalische Erleben und
Gestalten auswirkt. Empirische Studien und mit zunehmender Übung auch
die eigene Erfahrung belegen hingegen, dass das Gegenteil der Fall ist. Man
hört nur, was man weiß, und dass das Urteil über eine Musik mit wachsender
Vertrautheit positiver ausfällt, ist ebenfalls ein durch empirische Studien abgestütztes
Faktum.