es gebot, stumm
zu lauschen. Dafür schoss die Musikkritik im 19. Jahrhundert ins Kraut; sie
bestimmte die normative Sprache über Musik im öffentlichen Raum, während die
allmählich entstehende Musikwissenschaft sich vor allem um biographische Fakten,
Werkverzeichnisse und Gesamtausgaben bemühte. Die Schere zwischen wissenschaftlicher
Fachsprache, Konzertführer-Esoterik und musikbezogener Umgangssprache öffnete sich
vollends im 20. Jahrhundert, woran auch musikpädagogische Bemühungen bis heute
kaum etwas geändert haben.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts müssen wir konstatieren, dass die Fähigkeit, über Musik
angemessen zu kommunizieren, der Bedeutungslosigkeit entgegenschrumpft. Es scheint,
wir müssen neu ermitteln und vermitteln, wozu Sprache angesichts der Musik taugt,
warum zum strukturellen und inhaltlichen Verstehen von Musik Sprache unabdingbar
ist und wie wichtig Sprache für die Weitergabe des kulturellen Erbes wie des
Gegenwartsschaffens ist. Nischen der Sprachlosigkeit und damit der Theorielosigkeit
kann sich die Musikdidaktik nicht auf Dauer leisten. Mag das Aktuelle noch binär
(Neue Medien) oder ternär (Trommeln) zu skizzieren sein, so geht doch die
historische Dimension der Musik ohne sprachliche Durchdringung restlos verloren.
Analytische Kategorien, die Struktur, Bedeutung, Funktion von Musik erhellen,
sind ohne Sprache eben auch nicht denkbar. Ja, selbst der Austausch über das
persönliche Musikerlebnis – spontan und ohne jeden intellektuellen Anspruch –
erfolgt über die Sprache. Sämtliche Dimensionen von Musik sind mit der Sprache
verknüpft.
Unter Hinweis auf Erkenntnisse der Sprachwissenschaft schreibt Ulrich Günther,
dass »Sprache immer ein Akt der Wahrnehmung und des Bewußtseins
ist«23
Ulrich Günther, Die Sprache in der Musikerziehung, in: Westermanns Pädagogische Beiträge,
H. 17/1965, S. 498–507, hier S. 501.
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Die Sprache richtet das Denken und Bewusstsein auf die Gegenstände der Wahrnehmung, so
dass an der Art und Weise des Sprechens über diese Gegenstände die Veränderungen im
Denken und in der Wahrnehmung des sprechenden Menschen erkennbar werden. Dies
betrifft direkt auch den Musikunterricht, wo Sprechen über Musik demnach außer
Unterrichtsmedium auch Unterrichtsziel, Unterrichtsgegenstand und Unterrichtsmethode
sein kann. Die Schülerinnen und Schüler via Sprache zu veränderter Wahrnehmung,
neuem Denken, erweitertem Bewusstsein und veränderten Einstellungen zu bringen
bedeutet auch, zu deren Persönlichkeitsentwicklung beizutragen. Dabei ist es durchaus
nicht gleichgültig, an welchem Gegenstand dies geschieht. Musik ist nicht austauschbar
etwa gegen Sport oder Mathematik: Die Besonderheit der ästhetischen Wahrnehmung,
die eben nicht ausschließlich intellektuell, nicht ausschließlich emotional, nicht
ausschließlich sinnenhaft ist, bedingt das Spezifische des Verstehens von und der
Verständigung über Musik.