von Anne Niessen über die Wirkung nationalsozialistischen
Liedguts
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Anne Niessen, »Die Lieder waren die eigentlichen Verführer.« Mädchen und Musik im
Nationalsozialismus, Mainz 1999.
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und von Martin Eibach über das Ensemblespiel älterer
Hobby-Instrumentalisten
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Martin Eibach, Musikalisches Lernen in der Ensemblearbeit mit erwachsenen Laien. Ein
Beitrag zu einer musikpädagogischen Theorie musikalischen Lernens in der Lebensspanne,
Diss. Köln 2001 (masch.).
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Es fehlen Untersuchungen beispielsweise darüber, welche Konsequenzen eine Sozialisation mittels
klassischer Musik oder mittels Pop-Rock-Musik für die Persönlichkeitsentwicklung hat. Die hier
anzuknüpfenden Fragestellungen sind – trotz Bastians Studien zu Hochbegabten bzw. Jugend
musiziert-Preisträgern
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Hans Günther Bastian, Leben
für Musik. Eine Biographie-Studie über musikalische (Hoch-)Begabungen, Mainz usw. 1989;
ders., Jugend am Instrument. Eine Repräsentativstudie, Mainz usw. 1991.
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– noch nicht ausgeschöpft. Vor allem die Bereiche des Jazz und der
populären Musik sind unterrepräsentiert bzw. werden der Musikwissenschaft
überlassen
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Vgl. Winfried Pape / Dietmar Pickert, Amateurmusiker: Von der klassischen bis zur
populären Musik. Perspektiven musikalischer Sozialisation, Frankfurt a. M. 1999.
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Noch einmal: Musikpädagogik hätte auch die Frage zu klären, welche Musik was
mit den Menschen macht, und dabei die jeweilige Musik nicht als beliebig und
austauschbar anzusehen. Da es stets auch um die Wege geht, auf denen die
Musik an den Menschen herangetreten ist, geht es also auch stets darum, wie
eine bestimmte Musik vermittelt wurde bzw. wird, und damit gehören solche
Fragestellungen eben nicht in die Musiksoziologie oder Musikpsychologie, sondern sind
genuin musikpädagogischer Natur. By the way: Man könnte die Nähe der eben
genannten Untersuchungen – wie etwa der genannten von Bastian oder der
Amateurmusiker-Studie von Pape und Pickert – zur Musikpsychologie und
Musiksoziologie auch als Beleg für die Zugehörigkeit der Musikpädagogik zur
systematischen Musikwissenschaft werten – was meiner persönlichen Einschätzung
nahekäme. Das Hauptproblem der von mir geforderten musikbezogenen qualitativen
Forschung besteht darin, den Eigenwert von Musik und der Beschäftigung mit ihr zu
definieren, vor allem, da Begriffe wie Kunst, Kunstwerk oder Bildung obsolet geworden
sind.
Ich vermute einen Grund für die weitgehende Abstinenz der wissenschaftlichen
Musikpädagogik, über Wirkungs- und Vermittlungsfragen konkreter Musik zu
forschen, in der Tatsache, dass sie sich mit der dann unweigerlich auftretenden
Normenproblematik (noch) nicht auseinandersetzen kann oder will. Zuviel historischer
und ideologischer Ballast aus Zeiten, als das Fach noch »Musikerziehung« oder
gar »Musische Erziehung« hieß, lastet unaufgearbeitet auf der noch jungen
Wissenschaft. Erst wenn diese Leichen aus dem Keller gehoben, obduziert und
fachgerecht bestattet worden sind, wird die Musikpädagogik sich verstärkt der
Musik forschend zuwenden können – sofern bis dahin nicht frische Leichen
dazukommen.