- 393 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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von Anne Niessen über die Wirkung nationalsozialistischen Liedguts9
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Anne Niessen, »Die Lieder waren die eigentlichen Verführer.« Mädchen und Musik im Nationalsozialismus, Mainz 1999.
und von Martin Eibach über das Ensemblespiel älterer Hobby-Instrumentalisten10
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Martin Eibach, Musikalisches Lernen in der Ensemblearbeit mit erwachsenen Laien. Ein Beitrag zu einer musikpädagogischen Theorie musikalischen Lernens in der Lebensspanne, Diss. Köln 2001 (masch.).
. Es fehlen Untersuchungen beispielsweise darüber, welche Konsequenzen eine Sozialisation mittels klassischer Musik oder mittels Pop-Rock-Musik für die Persönlichkeitsentwicklung hat. Die hier anzuknüpfenden Fragestellungen sind – trotz Bastians Studien zu Hochbegabten bzw. Jugend musiziert-Preisträgern11
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Hans Günther Bastian, Leben für Musik. Eine Biographie-Studie über musikalische (Hoch-)Begabungen, Mainz usw. 1989; ders., Jugend am Instrument. Eine Repräsentativstudie, Mainz usw. 1991.
– noch nicht ausgeschöpft. Vor allem die Bereiche des Jazz und der populären Musik sind unterrepräsentiert bzw. werden der Musikwissenschaft überlassen12
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Vgl. Winfried Pape / Dietmar Pickert, Amateurmusiker: Von der klassischen bis zur populären Musik. Perspektiven musikalischer Sozialisation, Frankfurt a. M. 1999.
.

Noch einmal: Musikpädagogik hätte auch die Frage zu klären, welche Musik was mit den Menschen macht, und dabei die jeweilige Musik nicht als beliebig und austauschbar anzusehen. Da es stets auch um die Wege geht, auf denen die Musik an den Menschen herangetreten ist, geht es also auch stets darum, wie eine bestimmte Musik vermittelt wurde bzw. wird, und damit gehören solche Fragestellungen eben nicht in die Musiksoziologie oder Musikpsychologie, sondern sind genuin musikpädagogischer Natur. By the way: Man könnte die Nähe der eben genannten Untersuchungen – wie etwa der genannten von Bastian oder der Amateurmusiker-Studie von Pape und Pickert – zur Musikpsychologie und Musiksoziologie auch als Beleg für die Zugehörigkeit der Musikpädagogik zur systematischen Musikwissenschaft werten – was meiner persönlichen Einschätzung nahekäme. Das Hauptproblem der von mir geforderten musikbezogenen qualitativen Forschung besteht darin, den Eigenwert von Musik und der Beschäftigung mit ihr zu definieren, vor allem, da Begriffe wie Kunst, Kunstwerk oder Bildung obsolet geworden sind.

Ich vermute einen Grund für die weitgehende Abstinenz der wissenschaftlichen Musikpädagogik, über Wirkungs- und Vermittlungsfragen konkreter Musik zu forschen, in der Tatsache, dass sie sich mit der dann unweigerlich auftretenden Normenproblematik (noch) nicht auseinandersetzen kann oder will. Zuviel historischer und ideologischer Ballast aus Zeiten, als das Fach noch »Musikerziehung« oder gar »Musische Erziehung« hieß, lastet unaufgearbeitet auf der noch jungen Wissenschaft. Erst wenn diese Leichen aus dem Keller gehoben, obduziert und fachgerecht bestattet worden sind, wird die Musikpädagogik sich verstärkt der Musik forschend zuwenden können – sofern bis dahin nicht frische Leichen dazukommen.


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