- 374 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Team. Sie repräsentieren als Rollen wie als reale Personen charakteristische deutsche Endzeiten. Die Musik nähert sich nicht dem modischen Tango nuevo (obwohl der DEFA-Film ihn durchaus gelegentlich einsetzt, s.o.), sondern erinnert an die Tangos der deutschen Problemphasen vor dem 2. Weltkrieg. Der »Tango für Paule« scheint auch die Situation zu spiegeln, in der sich das DEFA-Team und sein Filmkomponist wohl gefühlsmäßig befanden: Endzeit, Sarkasmus, Trauer, aber auch Angst (Günther Fischer wird später als Stasi-Spitzel enttarnt)69
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Der Schauspieler Manfred Krug berichtet davon in einem offenen Brief an seinen früheren Freund Günther »Günnie« Fischer für den SPIEGEL.
.

Was die Milonga und den Tango Vals neben ihrem etwas flotteren Tempo vom klassischen argentinischen Tango auf der affektiven Ebene unterscheidet, kann wohl dem Gefühlsraum »Freude« zugeschrieben werden, der bei diesen Tango-Arten stets recht deutlich zum Ausdruck kommt. Ein rarer Fall eines Tangos, der, obwohl er dem Tonfall der klassischen Tangomelancholie folgt und ohne seinen filmischen Kontext vielleicht den charakteristischen Tango-Gefühlstopoi von Leidenschaft, Melancholie, Depression, Wut oder Trauer zugewiesen werden könnte, erklingt in Kieslowkis DREI FARBEN WEISS (1993)70

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DREI FARBEN WEISS, R: Krzysztof Kieślowski, M: Zbigniew Preisner, F/POL/CH 1993.
. Hier kommt es zu einer interessanten Kontextualisierung des an mehreren Stellen wiederkehrenden Tangos: er entfaltet sich zu einem prägnanten Ausdruck von Freude - obwohl der Tod doch recht nahe weilt. Der Tango, für den der Filmkomponist Zbigiew Preisner einen der 30er-Jahre-Tangos benutzt hat71
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Jan Petersburski: »Ta ostatnia niedziela« (= Dein letzter Sonntag), ca. 1930.
, durchzieht den ganzen Film und begleitet den Aufstieg und den Erfolg des von seiner französischen Frau geschiedenen Karol, der – in Polen zurück – alles vorbereitet, um sich an ihr zu rächen. Mit seiner unsanften Rückkunft in seiner Heimat auf einer Müllkippe vermittelt der aus dem Off begleitende Tango durchaus ein Gefühl von Zufriedenheit, nämlich die Freude über die gelungene Rückkehr. Auch die Ankunft in Karols alten Friseurgeschäft wird weniger nostalgisch oder melancholisch verklärt, sondern eher hoffnungsvoll. Ganz besonders spannend gerät eine Sequenz, in der sich Karol mit einem Freund, den er gerade von einem Selbstmord zurückhalten konnte, auf einer zugefrorenen Eisfläche euphorisch freut: eine eher seltenes Tangogefühl wird überzeugend vermittelt.

III Kurzes Fazit:

Der recht unbefriedigenden totalen Fragmentarisierung der alten und neuen Tangokultur in der Werbung steht eine relativ breite Palette an Tangokontexten im Spielfilm gegenüber. Keinesfalls gibt es nur aufgewärmte Tangoklischees,


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