- 373 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (372)Nächste Seite (374) Letzte Seite (435)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

ambivalente argentinische Tangoszene. Ein konservativer argentinischer Tangomusiker erklärt, dass er die modernen »Protesttangos« nicht schätze, dafür lieber Tangos wie »Mano a mano«66
66
M: Carlos Gardel y José Razzano, T: Celedonio Flores.
spiele. Als linker, revolutionär gesinnter und auch exilierter Musiker ist Mosalini, der in dem Film einen gleichgesinnten Bandoneonisten in den Zeiten der Militärdiktatur spielt, darüber so erbost, dass er die Musiker, die ihm zuliebe aufgespielt hatten, wütend verlässt. Tango nuevo wird als Ausdruck von politischer Gesinnung verstanden: gegen die Militärdiktatur, für die Freiheit der Kunst, für Menschlichkeit im Umgang miteinander. Kein Zufall, dass die argentinischen Musiker (ab 1960 mit der Gründung des »Quinteto Nuevo Tango« in Buenos Aires) der modernen Richtung während der Zeit der Junta (1976-1982) in die Emigration gingen. Auch erst nach Ende der Militärdiktatur wurde der Tango nuevo und das argentinische Tangotanzen in Deutschland wahrgenommen, dies bis heute mit Erfolg.

Melancholie und Freude

In der Zeit der Weltwirtschaftskrise um 1930 und dann in der Nazizeit gab es eine Reihe eindrucksvoller deutscher Tangos, die neben ihrer musikalischen Qualität auch vom Text her bedeutsame zeitbezogene Gefühle zum Ausdruck bringen konnten67

67
Vgl. dazu Fred Ritzel, »Schöne Welt, du gingst in Fransen!«, a. a. O. (s. Anm. 2), S. 43–60.
. Nach dem 2. Weltkrieg ging es deutlich bergab mit der Qualität der deutschen Tangos, sie boten nur noch simple Komik. Ein rares Beispiel von m.E. besonderer Qualität präsentiert der DDR-Filmkomponist Günther Fischer mit seinem »Tango für Paule« in DER BRUCH (1988)68
68
DER BRUCH, R: Frank Beyer, M: Günther Fischer, DEFA 1988.
. Die Handlung spielt in der Zeit nach Ende des 2. Weltkriegs, zwei junge Männer verlieben sich in eine junge Friseuse, die ihrerseits, trotz aller beiläufigen Zuneigung zu den Jungen, immer wieder dem Charme eines Ganovenchefs erliegt. Erste erotische Annäherungen zwischen den Geschlechtern, nicht stets von lauteren Absichten oder von unbedingter Liebe zu dem jeweiligen Partner geprägt, beschreiben ein leicht verwirrendes Netzwerk der Gefühle in den Beziehungen der jungen Leute. Der Tango durchzieht den ganzen Film, auch sein Text (nur in der Tanzbar zu hören, von einem Transvestiten gesungen) klinkt sich in die Geschichte der zwei Jungen, ihres Mädels und des Ganoven ein: Erinnerung, Erotik, Melancholie. Die deutsche Tradition der Frauenperspektive im Tango wird aufgenommen, wenn auch etwas durchkreuzt vom singenden Transvestiten, obwohl die Handlung unzweideutig die junge Friseuse Tina als das melancholische Ich des Tangotextes präsentiert. Die instrumentale Variante begleitet dagegen die Sequenzen der Jungen.

Die Gangster werden übrigens von westdeutschen Spitzendarstellern gemimt: Götz George, Otto Sander, aber auch DDR-Stars wie Rolf Hoppe gehören zum


Erste Seite (1) Vorherige Seite (372)Nächste Seite (374) Letzte Seite (435)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 373 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben