- 372 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Immer mal wieder taucht ein Tango auf, in den 20er Jahren etwa der dänische Tangoerfolg »Jalousie« (Jacob Gade). Später in den 50er Jahren kommt es bei »Hernando’s Hideaway« zu hintergründigen politischen Anspielungen: ein nordafrikanisch aussehender Tänzer handelt sich beim Auffordern durchweg nur Ablehnungen ein, die Zeit des Algerienkonflikts wird damit raffiniert angedeutet. Direkter macht sich die deutsche Besatzung im 2. Weltkrieg bemerkbar. Ein großer, steifer, blonder deutscher Wehrmachtsoffizier hat ebenfalls Schwierigkeiten bei der Suche nach einer Tanzpartnerin, die Frauen wollen nicht mit ihm tanzen. Doch sein Begleiter, ein französischer Kollaborateur, tanzt schließlich mit ihm den Tango »Sérénade sans espoir«62
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 Sérénade sans espoir ”, T: André Hornez., M: H. Hallifax, Melle Veersma, 1939; im Soundtrack hier original gesungen von Rina Ketty.
(1939), einen typischen Kriegsschlager. Der Franzose muss den Frauenpart übernehmen, der Deutsche ändert sofort die Handhaltung und zeigt die Führungsrolle deutlich; selbst das militärische Hacken-Zusammenschlagen wird als den Partner einklemmenden Tango-Schritt vorgeführt. Vielsagend der Titel, die »Serenade ohne Hoffnung« gilt beiden Tänzern, dem Deutschen wie dem französischen Verräter. Anders als in den beiden anderen Tangos, die vor allem die Handlungszeit anzeigen und illustrieren, greift die »Serenade« doch sehr tief in eine nicht nur für Franzosen wichtige Phase ihrer Geschichte – als Tango zudem, mit seiner erstaunlichen Nähe zum Marsch.

Unter den Tangomusiken, die im Film extra-diegetisch eingesetzt werden, hat in den letzten Jahren besonders der Tango nuevo von Astor Piazzolla reussiert. Seine politischen Qualitäten sind nicht nur biographisch durch den zeitweiligen Exilstatus seiner Hauptvertreter begründet, auch ihre ästhetische Substanz, ihre musikimmanente Struktur hat aufgrund des antinormativen Gehaltes widerständige Qualitäten. In dem DEFA-Film DER TANGOSPIELER (1991)63

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DER TANGOSPIELER, R. Roland Gräf, M: A. Piazzolla, J. Danders, G. Fischer, DEFA 1991.
begleitet Piazzollas Pulsacion No. 4 aus dem Off einen Gang zu einem STASI-Verhör. Der Film spielt 1968 und bringt am Ende auch Bilder vom Prager Aufstand, beziehungsreich unterlegt mit dem alten »Adios muchachos« (der sich zuvor aus dem langsamen Satz der Beethovenschen Pathétique entwickelt hatte).

Ein amerikanischer Sience-Fiction-Film, 12 MONKEYS (1995)64

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12 MONKEYS, R: Terry Gilliam, M: Paul Buckmaster u.a., US 1995
, erzählt eine Auseinandersetzung mit den extrem manipulierenden herrschenden Kräften in der Gesellschaft. Piazzollas Musik steht hier durchaus in der Tradition der argentinischen Politfilme: aufreizend, markant, störrisch und trotzdem pathetisch schön.

Über die politische Qualität des Tango nuevo sagt eine Sequenz in dem deutschen Film DAS AUTOGRAMM (1983/84)65

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DAS AUTOGRAMM, R: Peter Lilienthal, M: Juan José Mosalini, Claus Bantzer, BRD/F 1983/84.
sehr viel aus, auch über die offenbar
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