Immer mal wieder taucht
ein Tango auf, in den 20er Jahren etwa der dänische Tangoerfolg »Jalousie«
(Jacob Gade). Später in den 50er Jahren kommt es bei »Hernando’s Hideaway«
zu hintergründigen politischen Anspielungen: ein nordafrikanisch aussehender
Tänzer handelt sich beim Auffordern durchweg nur Ablehnungen ein, die Zeit des
Algerienkonflikts wird damit raffiniert angedeutet. Direkter macht sich die
deutsche Besatzung im 2. Weltkrieg bemerkbar. Ein großer, steifer, blonder
deutscher Wehrmachtsoffizier hat ebenfalls Schwierigkeiten bei der Suche nach einer
Tanzpartnerin, die Frauen wollen nicht mit ihm tanzen. Doch sein Begleiter, ein
französischer Kollaborateur, tanzt schließlich mit ihm den Tango »Sérénade sans
espoir«
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“ Sérénade sans espoir ”, T: André Hornez., M: H. Hallifax, Melle Veersma, 1939; im
Soundtrack hier original gesungen von Rina Ketty.
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(1939), einen typischen Kriegsschlager. Der Franzose muss den Frauenpart übernehmen,
der Deutsche ändert sofort die Handhaltung und zeigt die Führungsrolle deutlich; selbst
das militärische Hacken-Zusammenschlagen wird als den Partner einklemmenden
Tango-Schritt vorgeführt. Vielsagend der Titel, die »Serenade ohne Hoffnung« gilt
beiden Tänzern, dem Deutschen wie dem französischen Verräter. Anders als in den
beiden anderen Tangos, die vor allem die Handlungszeit anzeigen und illustrieren,
greift die »Serenade« doch sehr tief in eine nicht nur für Franzosen wichtige
Phase ihrer Geschichte – als Tango zudem, mit seiner erstaunlichen Nähe zum
Marsch.
Unter den Tangomusiken, die im Film extra-diegetisch eingesetzt werden,
hat in den letzten Jahren besonders der Tango nuevo von Astor Piazzolla
reussiert. Seine politischen Qualitäten sind nicht nur biographisch durch den
zeitweiligen Exilstatus seiner Hauptvertreter begründet, auch ihre ästhetische
Substanz, ihre musikimmanente Struktur hat aufgrund des antinormativen
Gehaltes widerständige Qualitäten. In dem DEFA-Film DER TANGOSPIELER
(1991)63
DER TANGOSPIELER, R. Roland Gräf, M: A. Piazzolla, J. Danders, G. Fischer, DEFA
1991.
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begleitet Piazzollas Pulsacion No. 4 aus dem Off einen Gang zu einem STASI-Verhör.
Der Film spielt 1968 und bringt am Ende auch Bilder vom Prager Aufstand,
beziehungsreich unterlegt mit dem alten »Adios muchachos« (der sich zuvor aus dem
langsamen Satz der Beethovenschen Pathétique entwickelt hatte).
Ein amerikanischer Sience-Fiction-Film, 12 MONKEYS
(1995)64
12 MONKEYS, R: Terry Gilliam, M: Paul Buckmaster u.a., US 1995
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erzählt eine Auseinandersetzung mit den extrem manipulierenden herrschenden Kräften
in der Gesellschaft. Piazzollas Musik steht hier durchaus in der Tradition der
argentinischen Politfilme: aufreizend, markant, störrisch und trotzdem pathetisch
schön.
Über die politische Qualität des Tango nuevo sagt eine Sequenz in dem deutschen Film DAS AUTOGRAMM
(1983/84)65
DAS AUTOGRAMM, R: Peter Lilienthal, M: Juan José Mosalini, Claus Bantzer, BRD/F
1983/84.
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sehr viel aus, auch über die offenbar