- 370 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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und sängerisch hysterisch. Gerhard Winklers Italien-Postkarten-Tango verwandelt sich zu einem schrillen Ausdruck einer höchst verzweifelten Situation für die Sängerin.

Ein ungarischer Kurzfilm – TANGÓ (1996)55

55
TANGÓ, R: Tarek, M: Mari Balogh), Ungarn 1996.
– handelt von Schwierigkeiten einer alleinerziehenden Mutter mit ihrem pubertierenden Sohn. Nachdrücklich versucht sie, seine harmlosen Treffen mit einem Mädchen auf dem Spielplatz zu verhindern. In einer zentralen Sequenz beobachtet der Sohn von Eingang einer Kellerkneipe her die Auseinandersetzung eines Mannes (seines Vaters?) mit der Mutter. Der Streit endet in einem Tanz: ein von Verzweiflung und Kampf der Tänzer bestimmtes Geschehen. Die Frau hat sich aufgegeben, eng vom Mann umklammert reagiert sie schließlich apathisch. Nach Abschluss des »Tangokampfes« lässt der Mann sie einfach stehen und setzt sich wieder zu seinem Bier an einen Tisch. Der Sohn entwickelt Tötungsfantasien. In dem schroffen, recht ungewöhnlichen Tango von Mari Balogh, einer ungarischen Jazztrompeterin und Verehrerin Piazzollas, werden elektronische Klänge mit Geräuschrhythmen konfrontiert, einer der wenigen Versuche in der neuern Filmlandschaft, dem alten Tangokonzept neue musikalische Aspekte abzugewinnen. In einem Gespräch mit Mari Balogh über Piazzolla heißt es:

Die Musik ist traurig, aber nicht hoffnungslos. Gefühle von Eifersucht, Wut, Verzückung spielen mit. Liebe wird sehr betont in dieser Musik. Heimweh kommt, wird jedoch mit der Musik erträglich56

56
Vgl. http://www.bmc.hu/bmcrecords/yengibarijan/more.htm.
.

Baloghs Tango scheint über Piazzollas Konzept hinauszugehen, er bleibt an seinem Ort der Verzweiflung und Verlorenheit, Hoffnung bietet wohl der Filmschluss, aber nicht in der Musik.

Tango und Politik

Dass Tango von seiner Entstehungszeit her stets mit den sozialen und politischen Prozessen in Argentinien verflochten war, ist bekannt und in neuerer Zeit gerade durch die Filme von Solanas wieder deutlich zum Ausdruck gebracht worden57

57
Vgl. u. a. Donald S. Castro, The Argentine Tango As Social History. 1880–1955, San Francisco1990; Marta E. Savigliano, Tango and the Political Economy of Passion, Boulder, Colorado 1995.
. In den herausragenden argentinischen Tangofilmen TANGOS – DAS EXIL GARDELS (1985) und SUR (1987)58
58
TANGOS – DAS EXIL GARDELS, R: Fernando E. Solanas, M: Astor Piazzolla, ARG/F 1985; SUR, R: Fernando E. Solanas, M: Astor Piazzolla, ARG 1987.
werden die politischen Zusammenhänge und Probleme der Tangoszene im Exil während der Militärdiktatur und in Argentinien selbst mit den maßlosen politischen Unterdrückungen, Verschleppungen und
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