- 368 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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darin agierenden Menschen. Tod im Kontext des Tango hat eine alte Tradition, symbolisiert oftmals das Ende von Beziehungen, die Ausweglosigkeit einer Perspektive, das Sterben in mannigfaltigen virtuellen Zusammenhängen. In der deutschen TV-Komödie wird das Thema jedoch äußerst ironisch serviert, in einer Parallelmontage sieht man den Mann als seinem Tod entgegen Trauernden auf einem Friedhof herumschlendern, während zeitgleich seine Ehefrau mit einem argentinischen Tangotanzlehrer übt. Sie macht sich lustig über ihren Hypochonder, der Tango verschmilzt beide Regionen, das Tanzen und das Trauern. Und er betont die modische Attitüde der deutschen intellektuellen Mittelschicht-Tangueros (es stirbt natürlich niemand in diesem Film).

Tod und Verzweiflung

Gleichwohl finden sich eine Reihe von Filmen, in denen Gewalt, Tod und Verzweiflung sich eng mit Tango verbinden, und zwar nicht nur als symbolische Auseinandersetzung in Beziehungskonflikten. So prägt etwa die bewusste Irreführung und Täuschung die Beziehung zwischen einer Mutter in Chile und ihrem Sohn, der in der DDR arbeitet. In dem DEFA-Film BLONDER TANGO (1986)49

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BLONDER TANGO , DDR 1986, R: Lothar Warneke, M: Gerhard Rosenfeld, Roberto Riviera.
schreibt die Mutter ihrem Sohn vom verstorbenen Vater. Immer wenn sie traurig oder glücklich sei, gehe sie auf den Friedhof, wo ihr Mann liegt. In der surrealen Szene stehen zwei Gitarristen und ein Sänger in der Nähe des Grabes und singen einen Tango als Ausdruck einer nicht behebbaren Problemlage, in die sich der Sohn durch seine falschen Mitteilungen zur Beruhigung seiner Mutter hineinmanövriert hat. Und die politische Lage in seiner Heimat erlaubt keine Korrektur. Auch in dem argentinischen Film NACKTER TANGO (1989)50
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NAKED TANGO, R: Leonard Schrader, M: Thomas Newman, USA/ARG 1989.
gehen Tango und Gewalthandlung eine sehr enge Beziehung ein. Alle Männer dieses Films sind Schurken. Die aus Europa für einen gutsituierten Bürger gekaufte Frau Alba wehrt sich gegen ihr Schicksal, das sie - von gedungenen Mördern und Zuhältern bedroht - zeitweilig in ein Bordell führt. Aber selbst ein Selbstmordversuch bleibt als Fluchtmöglichkeit vergeblich. Alle zentralen Personen, auch die Protagonistin selbst, sterben schließlich gewaltsam. Und der Tango gibt den bedrohlich-sinnlichen Hintergrund, erscheint in allen wichtigen Phasen des Films und gibt schließlich auch die Musik zum Totentanz. Trotz einiger etwas melodramatisch stark aufgetragener Tangoklischees (Handlung, Farben, Kleidung, Spielweisen) unterstreicht der Film, dass nicht nur lustvolle Leidenschaft den Tango begleitet, sondern eher Gewalt und Tod. Bezeichnenderweise spielt die zentrale Tangotanzsequenz im nächtlichen Schlachthof von Buenos Aires: die Tanzschritte Albas und ihres Partners, des Mörders Scholo, wirbeln Tierblut auf; Musiker begleiten den Tanz, musikalisch relativ konventionell, mit verbundenen Augen; es ist dunkel, rote Farben, Silhouetten von Fleischerhaken, ein Messer wird gezückt, die Tänzerin bedroht damit ihren Partner,
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