gewählt, sondern der alte nordamerikanische Musical-Tango
»Hernando’s Hideaway« (!), und zwar in Debelah Morgans Fassung »Dance with me«
(aus den letzten Chorus-Wiederholungen). Gleichwohl tanzen die Paare im
argentinischen Stil, professionell und virtuos.
Die Dramaturgie verfolgt eine Parallelmontage zwischen Tanzaktionen und
Chérie-Kirschen. Die Visualisierung lässt (in 34 Einstellungen während 28 Sekunden)
bestimmte Perspektiven hervortreten: Details zum Einschnappen des »roten Herings«
(Augen der Tänzerin
zwei Kirschen, Tanzpaar
zwei sich drehende Kirschen),
Naheinstellung der Paare zur Verstärkung der wechselseitigen Kommunikation, (auch
mit der Praline!), amerikanische Einstellung bei aktionsreichen Figuren. Die Tänzerin
fungiert als Mittlerin zur Werbebotschaft, sie verspeist eine Kirsche, dann auch eine
»Mon Chérie«. Und obwohl die visuelle Sphäre ganz der derzeitigen Tangostilistik
verschrieben ist – argentinische Tanzbasis, virtuose Körperaktionen, Leidenschaft,
Schönheit, rot und schwarz, dominierende Körperlichkeit –, so vermittelt doch die Musik
eine Brücke zur Discokultur, zur Massenmusik.
In früheren Zeiten hätten diese Sachverhalte als Indizien für eine Ausbreitung des
Tangotanzens in den Massenmarkt gesehen werden können (so wie nach dem 1.
Weltkrieg). Heute jedoch scheint eher die massenhafte Verbreitung von »Mon
Chérie« die praktische Konsequenz der Botschaft zu sein. Und, abgeleitet aus den
Schwerpunktsetzungen der Visualisierung: Leidenschaft, Mode, Schönheit, Körperlichkeit
als Kontexte des Werbeobjekts.
Ein Vergleich des Tango-Gebrauchs in den 80er Jahren mit der heutigen Praxis lässt
interessante Veränderungen erkennen. Der alte Tango wird in den neueren Beispielen
musikalisch »modernisiert«, allerdings im Sinne der populären Massenmusik; der
Tango nuevo, jene musikalische Sensation der frühen 80er Jahre, wird nicht mehr
bemüht, seine musikalischen Qualitäten und Möglichkeiten werden ignoriert:
die Einbindung in die Disco-Musiklandschaft scheint wichtiger, offenbar dem
Werbezweck adäquater. Ein Rest der Tangoatmosphäre wird im Falle »Mon Chérie«
eher über das Ambiente und die Tanzaktionen vermittelt. Und dieser Abglanz
aus bürgerlich-intellektuellen Kulturpraktiken bietet wohl dieselbe Anmutung
und Prestigesuggestion wie Tennis- oder Golf-Szenen, die vom interessanten
Leben anderer Milieus in der Gesellschaft künden, zu denen der Gebrauch des
jeweiligen Werbeobjekts vielleicht eine Brücke schafft, zumindest ein Gefühl
davon.
Auch die in den drei Beispielen gezeigten Tanzaktionen bleiben im Grunde dem
heute modischen »argentinischen« Tangotanzen fern. Allzu diskontinuierlich
vermitteln die Visualisierungen nur Ahnungen von Tanzabläufen, nur fragmentarisch
erscheint – wenn überhaupt – »Tango«, möglicherweise eine mediale Isomorphie zu
Disco-Tanzpraktiken. Insgesamt also eine Montage von Detailmaterial