- 364 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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argentinisch-uruguayschen »La Cumparsita«), der fast zum Klischee für das Genre geworden ist. Ähnlich wie der deutsche »Kriminaltango« gehört er jedoch der Abstiegsphase der Tangogeschichte an, in der Tango fast durchweg als altmodisch-komische Nummer gesehen wurde. Und derart wurde er auch in THE PAJAMA GAME 1957 eingesetzt, in einer übertrieben klischeehaft getanzten Filmsequenz. In Debelah Morgans »Dance with me« hört man jedoch eine neu getextete und musikstilistisch aktualisierte Fassung des alten US-Tangos, nämlich eine modische R&B-Version (»with a tango-cha-cha-groove«, wie die Interpretin meint)39
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Unter dem Titel »Baila conmigo« hat Debelah Morgan auch eine spanische Version mit viel Erfolg für den spanischen und spanischsprachigen amerikanischen Markt produziert.
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Die Zeit der Tango-Komik scheint vorbei, die Musik benutzt zwar die Vorlage aus der Tango-Comic-Zeit, die Präsentation jedoch wird realistisch angelegt: eine Gruppe von Mädchen betritt eine Disco, sie tanzen äußerst virtuos und singen davon, sich einen Kerl zu angeln und mit ihm dann »Liebe zu machen«. Das Tanzen geschieht recht kunstvoll: weniger von Paaren, sondern von einer ganzen Gruppe vorgeführt, die alle Discobesucher vereint – eine professionelle Tanzformation. Paare und Gruppen lösen sich im Rahmen einer von Konkurrenz und tänzerisch ausgetragenem Konflikt geprägten Handlung heraus, um sich dann wieder neu zu gruppieren. Debelah Morgan beansprucht dabei die Führungsrolle. Überhaupt fällt auf, dass die Frauen diejenigen sind, die führen und den Ablauf des Geschehens bestimmen. Mit Tangotanzen hat das nichts zu tun, nur gelegentlich lassen sich Bruchstücke argentinischer Tangobewegungen erkennen. Und auch das filmische Design der Tanzhandlung geschieht in Bruchstücken: die relativ schnellen Einstellungswechsel fragmentieren die Tanzabläufe erheblich, keine zusammenhängenden Bewegungsabläufe werden gezeigt, sondern auf dem hämmernden Puls der Musik reihen sich Einstellungen ohne Ablaufskontinuität. Auch die benutzten Tanzstile ergeben ein buntes Bild: kaum Tango, mehr Salsa und Mambo, auch kurzzeitig lässt sich Breakdance ausmachen. Nur grob kann die Handlung verfolgt werden, nämlich der Streit darum, wer schließlich mit Debelah Morgan abziehen darf. All dies geschieht sehr reizvoll in den Bewegungsdetails, die Akteure tanzen virtuos und lässig.

Während Debelah Morgans »Tango« unzweideutig in einer Szenedisco situiert wird, zeugt die Szenerie des »Mon-Chérie«-Clips von Tango-Glamour: edle hohe großbürgerliche Räume, ein Tanzpaar mit allen Attributen der Tangomode, schöne und leidenschaftlich-vitale Bewegungen – im Blickpunkt dabei stets die Frau. Kleidung und Farben entsprechen den heute angesagten Tangomoden. Kaum zu erkennen, aber auch dramaturgisch kaum zu erklären, dass es sich offenbar um drei verschiedene Tanzpaare handelt, vielleicht sogar in verschiedenen Räumen. Die Paare tanzen virtuose Tangofiguren, jedoch ebenfalls kaum kontinuierliche Abläufe. Als musikalische Folie wird kein argentinischer Tango


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