- 363 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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I Tangofragmente in der Werbung

Merkwürdigerweise scheint die Kirsche, als Symbol oder als Frucht, für Tango-bezogene Werbung interessant. Ein Werbeclip aus den 80er Jahren wirbt für einen Likör (Eckes Edelkirsch), vielleicht unterstellen die Macher einen Zusammenhang zwischen Tangomusik und Likörtrinken. Möglicherweise bilden auch Kirsche – Kirschenmund – Praline – Likör eine einleuchtende Assoziationskette. Und die Farbe rot passt ohnehin in das Ambiente der neuen Leidenschaftlichkeit der nachfeministischen 80er-Jahre-Retrokultur. Kann es sein, dass sich der schon Jahrzehnte alte Vorwurf, Tango sei altmodisch, neu manifestiert? Denn Likör wird im Alltagsklischee wohl eher mit älteren Damenkränzchen in Verbindung gebracht. Die Werbung aus den 80er Jahren versucht zweierlei, um diesem möglichen Vorurteil den Boden zu entziehen: ein elegantes Tanzpaar ist nur als Silhouette in einer dunkelroten Umgebung zu sehen, es tanzt scheinbar leidenschaftlich, wobei unklar bleibt, ob die Bewegungsformen hier überhaupt zum Tango gehören (es könnte sich auch um Boogie oder Latin handeln). Die Bandoneonklänge konstruieren jedoch unmittelbar den Zusammenhang »Tango«. Möglicherweise soll eine etwas ältere Adressatengruppe angesprochen werden, die den Tanzschul-Tango mit diesen Silhouetten-Schwüngen noch in Beziehung bringen kann und für die die Erinnerung an Tanzen und Küssen (so endet das Paar seinen Tanz im Clip: Likör trinkend und einen Kuss andeutend) eine durchaus angenehme ist. Mit der Musik wird eine zweite Botschaft versucht, nämlich die Moderne bemüht: es handelt sich um den Klangrest eines modernen Tangos. Und damit wird wohl das up-to-date des Likörtrinkens – »feurig-zart« - unterstrichen, zudem die Zugehörigkeit zu einer gehobeneren Bildungsschicht suggeriert.

Interessant ist nicht so sehr die naheliegende Einbettung dieser Werbung in die kulturelle Szenerie der 80er Jahre, die einen kleinen Anflug von Exklusivität für das Massenpublikum suggeriert, sondern vielmehr, wie sich nach einem Zeitsprung von 15–20 Jahren Werbung heute mit Tango ausstaffiert.

Zwei Beispiele sollen dafür herangezogen werden: einmal der Videoclip »Dance with me« von Debelah Morgan als Werbung für Musik, dann der Werbeclip »Mon Chérie« für eine Praline mit umhüllter Kirsche.

Debelah Morgan »Let’s Dance« (bzw. als alternativer Titel: »Dance with me«), ein MTV-erprobter und erfolgreicher Musikclip aus dem Jahre 2000, spielt in einer großen Tanzhalle, an deren Stirnseite »Hernando’s Hideaway« als großer Schriftzug herunterstrahlt. Damit verweist die Lokalität auf einen historischen Tanzsaal, nämlich den aus dem Musical und späteren Film THE PAJAMA GAME (Stanley Donen, USA 1957). Und er nennt einen berühmten Tango, nämlich den gleichnamigen »Hernando’s Hideaway« (von Richard Adler/Jerry Ross, 1954), einen unverwüstlichen Tango (mit manchen Ähnlichkeiten zu dem ähnlich unverwüstlichen


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