I Tangofragmente in der Werbung
Merkwürdigerweise scheint die Kirsche, als Symbol oder als Frucht, für Tango-bezogene
Werbung interessant. Ein Werbeclip aus den 80er Jahren wirbt für einen Likör
(Eckes Edelkirsch), vielleicht unterstellen die Macher einen Zusammenhang
zwischen Tangomusik und Likörtrinken. Möglicherweise bilden auch Kirsche –
Kirschenmund – Praline – Likör eine einleuchtende Assoziationskette. Und die
Farbe rot passt ohnehin in das Ambiente der neuen Leidenschaftlichkeit der
nachfeministischen 80er-Jahre-Retrokultur. Kann es sein, dass sich der schon
Jahrzehnte alte Vorwurf, Tango sei altmodisch, neu manifestiert? Denn Likör
wird im Alltagsklischee wohl eher mit älteren Damenkränzchen in Verbindung
gebracht. Die Werbung aus den 80er Jahren versucht zweierlei, um diesem
möglichen Vorurteil den Boden zu entziehen: ein elegantes Tanzpaar ist nur
als Silhouette in einer dunkelroten Umgebung zu sehen, es tanzt scheinbar
leidenschaftlich, wobei unklar bleibt, ob die Bewegungsformen hier überhaupt
zum Tango gehören (es könnte sich auch um Boogie oder Latin handeln). Die
Bandoneonklänge konstruieren jedoch unmittelbar den Zusammenhang »Tango«.
Möglicherweise soll eine etwas ältere Adressatengruppe angesprochen werden, die
den Tanzschul-Tango mit diesen Silhouetten-Schwüngen noch in Beziehung
bringen kann und für die die Erinnerung an Tanzen und Küssen (so endet das
Paar seinen Tanz im Clip: Likör trinkend und einen Kuss andeutend) eine
durchaus angenehme ist. Mit der Musik wird eine zweite Botschaft versucht,
nämlich die Moderne bemüht: es handelt sich um den Klangrest eines modernen
Tangos. Und damit wird wohl das up-to-date des Likörtrinkens – »feurig-zart« -
unterstrichen, zudem die Zugehörigkeit zu einer gehobeneren Bildungsschicht
suggeriert.
Interessant ist nicht so sehr die naheliegende Einbettung dieser Werbung in die
kulturelle Szenerie der 80er Jahre, die einen kleinen Anflug von Exklusivität für das
Massenpublikum suggeriert, sondern vielmehr, wie sich nach einem Zeitsprung von 15–20
Jahren Werbung heute mit Tango ausstaffiert.
Zwei Beispiele sollen dafür herangezogen werden: einmal der Videoclip »Dance with me«
von Debelah Morgan als Werbung für Musik, dann der Werbeclip »Mon Chérie« für eine
Praline mit umhüllter Kirsche.
Debelah Morgan »Let’s Dance« (bzw. als alternativer Titel: »Dance with me«),
ein MTV-erprobter und erfolgreicher Musikclip aus dem Jahre 2000, spielt in
einer großen Tanzhalle, an deren Stirnseite »Hernando’s Hideaway« als großer
Schriftzug herunterstrahlt. Damit verweist die Lokalität auf einen historischen
Tanzsaal, nämlich den aus dem Musical und späteren Film THE PAJAMA GAME
(Stanley Donen, USA 1957). Und er nennt einen berühmten Tango, nämlich
den gleichnamigen »Hernando’s Hideaway« (von Richard Adler/Jerry Ross,
1954), einen unverwüstlichen Tango (mit manchen Ähnlichkeiten zu dem ähnlich
unverwüstlichen