Daß beide edle Naturen sind, das muß
man ihnen zugestehen. Emma Herwegh besitzt eine solche Tiefe der Liebe,
eine so unbedingte Hingebung, daß sie schon dadurch schön und bedeutend
wird.22
Zit. bei Krausnick, a. a. O. (s. Anm. 5), S. 66.
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Wagner trat noch nach:
Ich bin wirklich so offen, liebe Minna, Deine jetzige intime Freundschaft zu dieser Frau
eine grosse Schwäche zu nennen, und Dir sie als solche anzurechnen. Und wenn
ich nichts weiter, als meine gründliche Abneigung gegen diese Frau hätte, so
dürfte ich vielleicht dennoch hoffen, dass Du aus Rücksicht für mich, der ich
Dir ja meine Zuneigungen auch nicht aufzwinge, Dich in Deinen Beziehungen
zu ihr etwas zurückhieltest. [. . . ] Genug – es ist und bleibt verlumptes Volk,
unnütz und zwecklos in den Tag hinein lebend, und jede Freundschaft schamlos
ausbeutend. [. . . ] Ich hoffe, liebster Mutz, die Herwegh ist Dir noch nicht so
stark an’s Herz gewachsen, dass Dich das hiermit Gesagte ernstlich aufregen
werde.23
9. 4. 1859, in: Herwegh, a. a. O. (s. Anm. 20), S. 31.
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Die Logik hierbei ist schlagend. Sie sollte ihre Freundschaft aufgeben, weil er
ihr ja nicht seine Freundschaften aufzwingen würde. Minna dachte nicht
im mindesten daran, Richard etwas aufzuzwingen. Er hatte recht mit der
Mutmaßung, sie verletzt zu haben, denn ihr empörter Widerspruch ließ ihn
rasch wieder zurückrudern:»[. . . ] leg’ kein zu gross Gewicht auf meine letzten
Aeusserungen.«24
14. 4. 1859, in: Herwegh, a. a. O., S. 34.
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– Sie waren aber ausgesprochen worden. Emma spürte übrigens seine Abneigung und bezeichnete
ihn daraufhin verächtlich als »Komponisten ohne Herz«, der sich »wie eine hysterische Frau«
aufführe
25
Zit. bei Craig, a. a. O. (s. Anm. 8), S. 220.
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Während sie ihm somit weibliche Attribute zuschob, verunglimpfte er sie als männlich:
Beides galt damals als äußerst beleidigend.
Es paßte Richard auch nicht, daß seine spätere Ehefrau Cosima von Bülow mit Herweghs
befreundet war. In Gegenwart von Bülows sprach er verächtlich über sie. Das mißfiel
Cosima, so daß er sich in einem Brief an Hans von Bülow (ihren damaligen Ehemann)
dafür entschuldigte:
Zuvor aber muss ich Dir doch noch sagen, dass mich Cosima’s Zurückhaltung
vor mir wirklich betrübt, seitdem ich sicher zu sein glaube, dass der
Grund der Sprache für die Mittheilung nur ein vorgeschützter ist, und
sie dagegen sich ernstlich von mir befangen gemacht fühlt. Sollte meine
Art ihr zu fremdartig gewesen, hie und da eine schroffe Aeusserung, ein
kleiner Hohn (wegen Herwegh’s u.s.w.) sie verletzt haben, so hätte ich
recht zu bereuen, mich in meiner Zutraulichkeit etwas zu viel haben gehen
zu lassen. An den trefflichen Cosimus, dessen Neigung zu Herweghs ich
beneide, schreibe ich nun nächstens besonders, um mich der Auszeichnung,
von ihm endlich doch auch einen Brief erhalten zu haben, würdig zu erwiesen.
Ich finde, daß ich immer noch etwas im stillen Krieg mit ihr bin, weiß
Gott, wie das kommt. Reine Eifersucht auf Herweghs kann das doch nicht
sein?26
Zit. bei Max Fehr, Richard Wagners Schweizer Zeit, Aarau u. Frankfurt a. M.
1953, Bd. II, S. 104.
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