- 357 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Daß beide edle Naturen sind, das muß man ihnen zugestehen. Emma Herwegh besitzt eine solche Tiefe der Liebe, eine so unbedingte Hingebung, daß sie schon dadurch schön und bedeutend wird.22
22
Zit. bei Krausnick, a. a. O. (s. Anm. 5), S. 66.

Wagner trat noch nach:

Ich bin wirklich so offen, liebe Minna, Deine jetzige intime Freundschaft zu dieser Frau eine grosse Schwäche zu nennen, und Dir sie als solche anzurechnen. Und wenn ich nichts weiter, als meine gründliche Abneigung gegen diese Frau hätte, so dürfte ich vielleicht dennoch hoffen, dass Du aus Rücksicht für mich, der ich Dir ja meine Zuneigungen auch nicht aufzwinge, Dich in Deinen Beziehungen zu ihr etwas zurückhieltest. [. . . ] Genug – es ist und bleibt verlumptes Volk, unnütz und zwecklos in den Tag hinein lebend, und jede Freundschaft schamlos ausbeutend. [. . . ] Ich hoffe, liebster Mutz, die Herwegh ist Dir noch nicht so stark an’s Herz gewachsen, dass Dich das hiermit Gesagte ernstlich aufregen werde.23

23
9. 4. 1859, in: Herwegh, a. a. O. (s. Anm. 20), S. 31.

Die Logik hierbei ist schlagend. Sie sollte ihre Freundschaft aufgeben, weil er ihr ja nicht seine Freundschaften aufzwingen würde. Minna dachte nicht im mindesten daran, Richard etwas aufzuzwingen. Er hatte recht mit der Mutmaßung, sie verletzt zu haben, denn ihr empörter Widerspruch ließ ihn rasch wieder zurückrudern:»[. . . ] leg’ kein zu gross Gewicht auf meine letzten Aeusserungen.«24

24
14. 4. 1859, in: Herwegh, a. a. O., S. 34.
– Sie waren aber ausgesprochen worden. Emma spürte übrigens seine Abneigung und bezeichnete ihn daraufhin verächtlich als »Komponisten ohne Herz«, der sich »wie eine hysterische Frau« aufführe25
25
Zit. bei Craig, a. a. O. (s. Anm. 8), S. 220.
. Während sie ihm somit weibliche Attribute zuschob, verunglimpfte er sie als männlich: Beides galt damals als äußerst beleidigend.

Es paßte Richard auch nicht, daß seine spätere Ehefrau Cosima von Bülow mit Herweghs befreundet war. In Gegenwart von Bülows sprach er verächtlich über sie. Das mißfiel Cosima, so daß er sich in einem Brief an Hans von Bülow (ihren damaligen Ehemann) dafür entschuldigte: Zuvor aber muss ich Dir doch noch sagen, dass mich Cosima’s Zurückhaltung vor mir wirklich betrübt, seitdem ich sicher zu sein glaube, dass der Grund der Sprache für die Mittheilung nur ein vorgeschützter ist, und sie dagegen sich ernstlich von mir befangen gemacht fühlt. Sollte meine Art ihr zu fremdartig gewesen, hie und da eine schroffe Aeusserung, ein kleiner Hohn (wegen Herwegh’s u.s.w.) sie verletzt haben, so hätte ich recht zu bereuen, mich in meiner Zutraulichkeit etwas zu viel haben gehen zu lassen. An den trefflichen Cosimus, dessen Neigung zu Herweghs ich beneide, schreibe ich nun nächstens besonders, um mich der Auszeichnung, von ihm endlich doch auch einen Brief erhalten zu haben, würdig zu erwiesen. Ich finde, daß ich immer noch etwas im stillen Krieg mit ihr bin, weiß Gott, wie das kommt. Reine Eifersucht auf Herweghs kann das doch nicht sein?26

26
Zit. bei Max Fehr, Richard Wagners Schweizer Zeit, Aarau u. Frankfurt a. M. 1953, Bd. II, S. 104.


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