- 356 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Als scharfe Beobachterin der Wagnerschen Ehe hatte Emma die Abhängigkeit Richards von Minna erkannt und schrieb ihr nach der Trennung von Richard wegen seiner Liebe zu Frau Wesendonck: »Da siehst Du nun ob ich Recht habe, wenn ich Dir prophezeiht, Dein Richard würde es nicht ohne Dich aushalten.« – Doch sie war vorsichtig: Man kann keiner Seele raten in Dingen die so tief in die Individualität eingreifen, da jedes Wort aus drittem noch so lieben Munde im besten Falle überflüssig ist.19
19
29. 9. 1858, in: Burell, a. a. O. (s. Anm. 18), S.439 f.

Der befreundeten Fürstin Wittgenstein gegenüber nahm sie Partei für Minna. In ihrer gewohnt offenen Art beurteilt sie die Dinge aus ihrer Sicht: Ich gestehe Ihnen, daß diejenige der vier Personen, die Darsteller in diesem schwer einzuordnenden Stück sind, diese arme Minna ist, die das lebhafteste Mitgefühl verdient. Nachdem sie all ihr Kapital gegeben hat – Sie wissen: das schönste Mädchen der Welt etc. – nachdem sie alle ihre Kräfte im Dienst des »Herrn« aufgebraucht hat, ist sie dabei, einem Idol geopfert zu werden. Pax! Möge das Schicksal milder als die Menschen sein! Vielleicht ließ ich die Feder überfließen; vielleicht sehen Sie in meinen Worten – was mich wahrlich schmerzen würde – mehr einen Oppositionsakt gegen Wagner (dem ich, glauben Sie mir, trotz allem eine Freundin bin), als die Bekundung einer echten Empfindung.20

20
Marcel Herwegh, Au Banquet des Dieux, Paris 1933, S. 115.

Georg Herwegh und Richard Wagner entfremdeten sich mit der Zeit. Wagners Kniefälle vor Herrschern und sein deutschnationales Bekenntnis zum Kaiserreich führten zum Bruch. Als Ludwig II inkognito Luzern besuchte, schrieb Georg darüber ein spöttisches Gedicht. Auf Wagners Triumphe im Berliner Konzerthaus 1872 reagierte er mit einer Glosse, in der er sich über die Gunstbeweise des preußischen Königs mokierte.

Richards Einschätzung von Emma ist Schwankungen unterlegen. Er mochte keine Frauen, die sich traditionell männliche Verhaltensweisen aneigneten oder sich auf eine Stufe mit Männern stellten, wie es Emma selbstverständlich tat. Im April 1859 – Emma war inzwischen mittellos – holte er zu einer äußerst scharfen Kritik an dem Ehepaar Herwegh aus, die Minna tief treffen mußte, da ihr Emmas Beistand gerade nach der Wesendonckschen Affäre viel bedeutete: Ich halte aber Herwegh’s, und zwar Beide, für verlumptes Volk, ganz im ehrlichen Sinne Sulzers: sie ausserdem für eine so schamlose, unehrenhafte Bettlerin u. Schwindlerin, dass mir wirklich der Gedanke Kummer erweckt, mit diesen Leuten wieder an einem Orte zu leben, und bei verhofftem erträglichem Wohlstande jeden Augenblick den Plünderungen der Frau H. ausgesetzt zu sein.21

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9. 4. 1859, in: 1858, in: Richard Wagner. Sämtliche Briefe, hg. von Martin Dürrer, Wiesbaden usw. 1999, Bd. 11, S. 30 f.

Wagner stand mit diesem Urteil übrigens im Kontrast zu Fanny Lewald, die anläßlich eines Besuchs feststellte:


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