- 355 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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und sich endlich einer großen Aufgabe widmen: der vollen Unterstützung von Georgs politischer Arbeit. Minna nahm die Rolle der Haus- und Ehefrau sehr ernst und wollte mit und durch Richard in der Gesellschaft aufsteigen. Umso größer ihre Enttäuschung, als sie von der gerade erklommenen Stufe zur Gutbürgerlichkeit 1849 wieder herabfiel, weil ihr Ehemann als steckbrieflich Gesuchter ins Ausland verwiesen wurde. Emma war die Gesellschaft herzlich gleichgültig; sie wurde zeitweise selber steckbrieflich gesucht. Sie hatte ihr Leben ganz oben begonnen und fand es dort fad. Aus der ökonomisch gesicherten Position heraus war es ein Leichtes für diese aufgeweckte, leicht entflammbare und intelligente junge Frau, sich für die Freiheit des geknechteten Volkes wo auch immer einzusetzen und für Georg zu schwärmen. Geld war ihr unwichtig.

Beide stürzten ab, und sie stürzten tief: Minna verlor neben der finanziellen Sicherheit auch das bürgerliche Ansehen. Emma verlor ebenfalls die finanzielle Basis. Aber für beide war die Untreue des jeweiligen Ehemannes der härteste Schlag, obwohl beide seltsamerweise beteuerten, nicht eifersüchtig zu sein.

Die Freundschaft zwischen Emma und Minna begann 1853, als Emma zu Georg nach Zürich zog. Das Verhältnis wurde lediglich durch die große Armut der beiden getrübt, die dazu führte, daß Emma immer wieder die so gut wie mittellose Minna um Geld anging. Aus dem Jahr 1855 hat sich ein Billett erhalten, in dem Emma um ein paar Francs bittet, die sie sich ausleihen möchte. Für Minna war dies belastend, da sie mit dem wenigen, das Richard ihr gab, haushalten mußte. Diese Bettelei drohte zeitweilig sogar, die Freundschaft zu zerstören. An eine Freundin schrieb sie: Frau Herwegh sehe ich gar nicht gerne mehr kommen, empfange auch nicht gerne Briefe von ihr, sie will ewig Geld von mir und reißt es einen sozusagen aus der Tasche; dabei aber haben sie mehr als wir über 6000 Franc nebst Grobe. Ich weiß mein Geld besser anzubringen als es in liederlicher Wirtschaft zu vergeuden, sie hat mir schon manchen Fr. abgeluxt.17

17
Brief vom 15. 6. 1856 an Mathilde Schiffner (alle Briefe Minnas in Richard Wagner Nationalarchiv, Bayreuth).

Daß die bettelarme Minna ihr dennoch etwas abgab, zeigt ein Brief, den Emma ihr 1858 schrieb. Minna hatte nach der Abreise aus dem Asyl ein unangenehmes Erlebnis mit einem Gläubiger, der ihr das Gepäck nur aushändigte, weil sie Richards Schulden bezahlte, und Emma kommentierte voller Mitgefühl: Ein Glück daß du noch so Viel hattest um zahlen zu können, nachdem Du Dich so ausgebeutelt hattest! Mich durchfuhr es als ich sie [die Geschichte] hörte: ich dachte gleich: nun ist sie am Ende in Noth gewesen, denn Du hattest ja noch mit mir getheilt. Wäre mir dergleichen passiert, ich hätte entweder da bleiben oder die Sachen zurücklassen müssen. Edle Zustände! ich glaube daß nach dieser Richtung keine dritte Frau in Zürich ist, die vom Leben so eingeweiht wurde in diese Art von misèren wie wir Beide – Gute, liebe Minna!18

18
29. 9. 1858, in: Richard Wagner Briefe. Die Sammlung Burrell, hg. von John N. Burk, Frankfurt a. M. 1950, S. 439 f.


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