- 352 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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bei Schnee und Regen, machte im Nachtquartier Brote zurecht, war an den leitenden Gesprächen beteiligt und hielt auch einmal eine flammende Rede. Als man ihr eine Aufgabe als Kundschafterin auftrug, reiste sie unter höchster Gefahr über die französisch-deutsche Grenze zu den Truppen um Hecker, um mit ihm zu verhandeln. Es gelang aber nicht, sich mit den Truppen in Südbaden zu vereinigen.

Bei einer kurzen Schlacht in Niederdossenbach ergriffen die »Legionäre« die Flucht vor den zahlenmäßig weit überlegenen württembergischen Truppen, darunter auch das Ehepaar Herwegh, das bis zuletzt Patronen angefertigt hatte. Die Truppe löste sich auf, weil die Gegenseite zu stark war. Emma und Georg befanden sich in höchste Lebensgefahr. Sie versteckten sich im Korn, während die feindlichen Truppen vorbeizogen, und wurden durch einen Bauern gerettet, der sie in seinem Speicher versteckte und später mit einfacher Kleidung ausstattete, so daß sie in die Schweiz fliehen konnten, wobei sie sich unter das Landvolk mischten. Sie hatten großes Glück, auf den verständigen Bauern zu treffen, denn eine bewaffnete Frau galt allgemein als verfemt, und es bestanden bösartige Ressentiments, »Herwegh und sein verfluchtes Weib« betreffend12

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Craig, a. a. O. (s. Anm. 8), S. 217. Wie Theweleit anhand der »Flintenweiber« analysiert hat, bedrohen Frauen mit Waffen sowohl die sexuell-männliche Potenz als auch die gesellschaftliche Macht und zogen daher besonders viele Aggressionen auf sich – dies bekam Emma Herwegh auch zu spüren.
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1848 erlitt Emmas Vater aufgrund eines wirtschaftlichen Niedergangs erhebliche finanzielle Verluste, so daß er die Überweisungen an die Tochter auf das Notwendigste kürzen mußte. Die luxuriöse Einrichtung der Pariser Wohnung wurde verkauft, und Georg, der darunter naturgemäß litt, weil er wie Wagner unfähig war, sich das Geld für die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse zu verdienen, besuchte abends häufig den Exilrussen Alexander Herzen und dessen Frau Natalie. Als Herzen seine Frau im Juni 1849 aus Angst vor polizeilicher Überwachung nach Genf brachte, fuhr Herwegh ihr nach, und im September wurde Natalie seine Geliebte. 1849/50, Emma befand sich noch in Paris, reiste sie mit ihren beiden Söhnen nach Nizza, wo Herzen das Ehepaar Herwegh aufnahm. Wahrscheinlich ahnte Emma zu Anfang genauso wenig von dem Liebesverhältnis wie Alexander, aber Natalie hielt die Spannungen nicht aus und beichtete ihrem Mann. Man versuchte zunächst eine Ménage à quatre, und das Quartett quälte sich zweieinhalb Jahre lang mit dieser Situation. Emma wollte nicht spießig sein, sondern hatte sich im Stil von George Sand vorgenommen, das Bündnis zu tolerieren. Immer wieder sagte sie sich, daß Georg zu ihr zurückkehren würde, und sie sollte recht behalten. Im Februar 1852 schrieb aber zunächst Natalie, wohl unter dem Diktat ihres Mannes, einen Abschiedsbrief an Georg. Georg und Emma beschlossen, sich zu trennen. Nur drei Monate darauf starb Natalie an einer Brustfellentzündung. Alexander Herzen gab Georg die Schuld für ihren plötzlichen Tod und machte die Affäre publik.

Herwegh wandte sich im April 1851 nach Zürich, während Emma später nach Nizza zurückreiste. Erst im Mai 1853 kehrte sie zu Georg zurück. Während sie


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