Der revolutionäre Dichter und Lyriker Georg Herwegh (1817–1875) zog 1851 nach Zürich
und gehörte fortan zum engeren Freundeskreis der Wagners. Man lud sich gegenseitig
ein. »Bist Du vernünftig geworden, von selbst anzunehmen, daß Du heute (1
Uhr) mit bei mir isst, oder muss ich Dich hiermit auch noch dazu einladen?
Abends kommt wohl auch die Frau mit dazu?« schreibt Richard Georg Herwegh
1854
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Richard Wagner, Sämtliche Briefe, hg. von Hans-Joachim Bauer u. Johannes Forner, Leipzig
1986, Bd. 6, S. 135 f.; s. auch die Einladung vom 8. 5.1854, a. a. O., S. 124 f.
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Aus diesem Jahr stammen mehrere schriftliche Einladungen Richards, auch
direkt an Emma: »Liebe Herwegh! Wollen Sie nicht Georg bestimmen, nächsten
Mittwoch Abend mit Ihnen zu uns zu kommen?« . . . Ein anderes Mal: »Liebste
Frau! Wir sind entschwägert und freuen uns sehr auf morgen Mittag 2 Uhr!«
(Minnas Tochter Natalie war abgereist und Richard freute sich auf einen Abend
zu viert.) Meist wurden die Ehepartner gemeinsam eingeladen. Aber auch als
Minna 1854 auf dem Seelisberg zur Kur weilte, wurde Richard zu Herweghs
zu Tisch geladen, und er schreibt: »Sie sind die einzigen, die sich um mich
kümmerten.«
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1. 7. 1854, a. a. O., S. 171.
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Bei der Aufführung des
Tannhäuser im November 1855 in Zürich bekamen Herweghs von
Richard Freikarten für die Mittelloge, wo sie sicherlich zusammen mit Minna saßen. So
entwickelte sich allmählich auch zwischen den beiden Frauen eine freundschaftliche
Beziehung.
Emma Siegmund, die 1817 geborene, verwöhnte Tochter aus begüterten bürgerlichen
Verhältnissen, wuchs in Berlin auf. Sie beschrieb sich einmal selbst dem Dichter Frank
Wedekind gegenüber, mit dem sie im Alter eine enge Freundschaft verband:
Haar nicht sehr voll, aber seidenweich, Stirne schmal, Nase ausserordentlich
fein, Lippen ideal, aber mit dem Kinn habe die Schönheit ein
Ende gehabt. Dann die Figur: Hände und Füße geradezu künstlerisch
gebildet.4
Frank Wedekind, Die Tagebücher. Ein erotisches Leben, Frankfurt a. M. 1986,
S. 295.
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Ihr Vater, ein konvertierter Jude, erzog seine Kinder in der protestantischen Konfession.
Von Beruf war er ein Hoflieferant von eleganten Kleidern und Stoffen, in dessen Geschäft
auch das Großbürgertum und der Adel ein- und ausgingen. Seine Tochter erhielt
einen für Frauen ihrer Generation ungewöhnlich guten Unterricht in Geschichte,
Zeichnen, modernen Fremdsprachen und Literatur, der ihr von ausgezeichneten
Privatlehrern vermittelt wurde. Sie konnte bei philosophischen, religiösen, historischen
und politischen Themen mithalten und beherrschte mehrere Fremdsprachen.
Aber auch sportliche Tätigkeiten kamen nicht zu kurz, sie ritt, beherrschte das
Schießen und segelte. Eine besondere Vorliebe galt den musischen Tätigkeiten: Ihre
Porträt-Zeichnungen von Freunden und Bekannten verraten eine erstaunliche
Begabung und großes Können; außerdem komponierte sie und schrieb, wie bereits
erwähnt.