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Auf den ersten Blick ist wohl kaum ein größere Gegensatz denkbar zwischen den beiden Frauen: einerseits der stets um den bürgerlichen Ruf bemühten, aus ärmlichen Verhältnissen kommenden, mit schlechter Schulbildung ausgestatteten Minna Wagner, Gattin des Komponisten Richard Wagner, andererseits der großbürgerlichen, vielseitig gebildeten, an Politik lebhaft interessierten Emma Herwegh. Dennoch entwickelte sich im Lauf der Jahre eine liebevolle Freundschaft. Minna (1809–1866) hatte 1849 durch die politisch motivierten Aktivitäten Richards alles verloren, was ihr wertvoll war: gesellschaftliche Stellung, finanzielle Sicherheit, Ansehen und Prestige. Die Beschäftigung mit Politik war für sie folglich gleichbedeutend mit dem Ruin. Für Emma (1817–1904) traf das Gegenteil zu. Der Besitz war ihr nichts Wichtiges, entscheidender war es, sich mit aktuellen Ereignissen zu befassen, was sie weit über die sterile Atmosphäre in ihrer Familie heraushob und ihrem Leben einen Sinn verlieh.
Die Liste der Gegensätzlichkeiten ließe sich fortsetzen. Und doch kommen auch Gemeinsamkeiten zum Vorschein, die beide zusammenführten und ein Gefühl der Solidarität entstehen ließen, aus der Freundschaft wurde. Beide waren künstlerisch aktiv gewesen. Hatte Minna einige Jahre lang erfolgreich als Schauspielerin agiert, so konnte Emma hervorragend zeichnen, komponierte als junge Frau und verstand es, elegant zu schreiben. Was die Frauen vor allem verband, war die Tatsache, daß sie mit Männern lebten, die sich von gesellschaftlichen Normen gelöst hatten und höchst ungewöhnliche Lebenswege gingen. Beide, Emma wie Minna, waren mindestens einmal im Leben in höchster Lebensgefahr gewesen. Während sich Emma und ihr Mann Georg Herwegh 1848 auf der Flucht vor feindlichen Truppen in einem Kornfeld versteckt hielten, auf dem Speicher eines Bauernhauses von Soldaten gesucht wurden und sich als Bauern verkleiden mußten, um der Verhaftung und der drohenden Todesstrafe zu entgehen, waren Minna und Richard 1839 auf der Flucht vor Gläubigern bäuchlings über eine Grenze geschlichen und hatten eine lebensgefährliche Schiffahrt ertragen müssen, ebenfalls unter Todesangst. Beide Frauen mußten mit der Untreue ihrer berühmten Männer fertig werden, nicht nur seelisch, sondern auch nach außen hin, da diese Skandale große Aufmerksamkeit erregten. Und beide mußten zeitweise bitterste Armut erleben.