- 332 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Luigi Nono Platz genommen. Kaum waren die ersten Takte erklungen, an denen erkennbar ist, daß weder der Stil Anton Weberns noch die punktuelle Musik der 1950er Jahre zu den Vorbildern der Partitur gehören, erhoben sich die ,drei Promis‘ und verließen demonstrativ den Saal. Henze war offenbar in eines der Fettnäpfchen getreten, die in diesen Jahren der vorgeblichen Gewißheit über den richtigen Weg der Neuen Musik überall auslagen. Schon der Titel des Werks berührte Tabus: »Nachtstücke« hatten doch die Romantiker geschrieben, und »Arien« gehörten in die Opernhäuser, die Boulez – damals! – am liebsten in die Luft gesprengt hätte. Wenn Henze in seiner Replik von 1959 nun auf jene anspielt, »die über Fetischen und technologischen Details das Eigentliche vergessen«, dann wird er die Theorie- und Techniklastigkeit der Darmstädter Avantgardisten einerseits und den Verlust von musikalischer Ausdruckskraft andererseits gemeint haben. Und zu den Fetischen der Moderne dürfte er die wahnhafte Vorstellung gerechnet haben, Musik könne und müsse stets neu sein und alles Vergangene hinter sich abschneiden. Demgegenüber vertrat Henze an derselben Stelle diese Auffassung: Wir sind in unserer Arbeit nicht durch die Vergangenheit belastet. Durch unsere Arbeit beeinflussen wir das Vergangene, sich dem Heutigen anders darzustellen als dem Gestrigen.10
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Ebenda, S. 60.

Hiermit ist der Schlüssel gefunden, mit dem auch die Bedeutung der Romantik für das Schaffen Henzes erschlossen werden kann. Henze ist kein Romantiker des 20. Jahrhunderts. Aber in seiner Musik wird die Romantik auf vielfältige Weise thematisiert. Ein flüchtiger Durchgang durch sein Werk mag zunächst derartige Spuren der Romantik aufzeigen.

Romantische Texte bzw. Stoffe liegen folgenden Werken Henzes zu Grunde:

  • Das erste Cellokonzert mit dem Titel Ode an den Westwind von 1952/53 ist über das gleichnamige Gedicht von Percy Bysshe Shelley komponiert;
  • Das abendfüllende Ballett Undine von 1956/57 fußt auf dem gleichnamigen Kunstmärchen von Friedrich de la Motte Fouqué;
  • Die Literaturoper Der Prinz von Homburg von 1959/60 ist die Musikalisierung von Heinrich von Kleists letztem Drama Prinz Friedrich von Homburg;
  • Die komische Oper Der junge Lord von 1964 entlehnt seine Fabel der Sammlung von Kunstmärchen Der Scheik von Allessandria und seine Sklaven von Wilhelm Hauff;
  • Das Oratorium Das Floß der »Medusa« von 1967/68 bezieht sich außer auf die Berichte von Savigny und Corréard auch auf das Bild Le radeau de la Meduse von Théodore Géricault;
  • Das Gitarrenkonzert Ode an eine Äolsharfe von 1985/86 besteht aus der wortlosen Vertonung von vier Gedichten Eduard Mörikes.


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