- 315 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (314)Nächste Seite (316) Letzte Seite (435)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Saiten” und dem Menschenschicksal hörbar zu machen; das unbegleitete Schlußwort »hinab« ist hier schon das Äußerste an »Extrovertiertheit« einer Musik, die sich genau dieser Eigenschaft durchweg enthält.

Einbettung des gesamten Textes in eine vorwiegend lyrisch-kontemplative Musik kennzeichnet auch die beiden Vertonungen dänischer Komponisten. Poul Rovsing Olsen (geb. 1922) schrieb seine Schicksalslieder von Hölderlin op. 28 (1953), an deren zweiter Stelle Hyperions Schicksalslied steht, für eine hohe Singstimme und Instrumentalgruppe, bestehend aus Flöte, Klarinette, Streichquartett und Kontrabaß. »Molto moderato« und »Agitato« als Tempokontrast sowie die verhaltene Streichquartettbegleitung zu »schicksallos« und ein erregter, rhythmisch punktierter Beginn der dritten Strophe verbleiben doch in einer eher intimen Ausdruckspalette. Mogens Christensen (geb. 1955) wählte eine ähnlich aparte Besetzung für sein keinem Zyklus angehörendes Werk von 1982, das Hölderlins Titel übernimmt: zum Solosopran gesellen sich Flöte, Klarinette, Klavier bzw. Celesta, Violine, Violoncello, Gitarre und ein Schlagzeugensemble aus Crotales, Vibraphon, Triangel, Becken und Tamtam. »Lento, poco rubato« ist das durchgehende Zeitmaß für eine klangfarblich interessante, gelegentlich illustrative (Streicherglissandi auf das Wort »Wasser«) Komposition. Es existiert daneben eine zweite Fassung für Sopran und Orchester.

Der österreichische Komponist Friedrich Cerha (geb. 1926) hat sich in einer Reihe recht unterschiedlicher Werke mit Hölderlins Lyrik und speziell mit Hyperions Schicksalslied auseinandergesetzt, dabei am wenigsten im Sinne einer herkömmlichen »Vertonung«. Dies letztere trifft lediglich auf seine Vier Hölderlin-Fragmente für gemischten Chor a cappella (1996) zu, deren abschließender Teil die erste und dritte Strophe des Schicksalsliedes verwendet. Im bis zu siebenstimmigen Satz und einem gleichsam madrigalesken Stil findet sich wie schon aus vielen Vertonungen gewohnt der Tempokontrast zwischen »Ruhig, molto legato« und »Unruhig bewegt« und gelegentliche Lautmalerei wie die herabstürzende Bewegung auf »Klippe« und der ersterbende (»morendo«) Schluß im dreifachen piano. Die anderen beiden uns hier interessierenden Werke jedoch sind rein instrumental. Es handelt sich zunächst um die Acht Sätze nach Hölderlin-Fragmenten für Streichsextett (1995), deren zweitem Satz die dritte Strophe des Schicksalsliedes als Motto vorangestellt ist. Nach Cerhas eigenen Worten (in einem kurzen, der Partitur beigegebenen Kommentar) basieren diese Sätze auf Sprachmelodien, die er sich beim Lesen Hölderlins notierte und danach musikalisch stilisierte und ausgestaltete. Der zweite Satz besteht aus fünf Abschnitten, deren erste beide mit »heftig« und »etwas ruhiger« überschrieben sind; die Abschnitte drei bzw. vier greifen Motive und Gestik in variierter Form auf, der fünfte als Quasi-Coda bringt eine weitere Variante des ersten und führt zu einem ebenso »heftigen« Abschluß. Unmittelbar anschließend an dieses Werk schrieb Cerha Jahrlang ins Ungewisse hinab für Kammerorchester und eine instrumental geführte, textlose Sopranstimme (1995–96), ein Werk, das keineswegs den


Erste Seite (1) Vorherige Seite (314)Nächste Seite (316) Letzte Seite (435)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 315 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben