- 314 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Das Konzept eines freien »Vortrags« erübrigte Überlegungen hinsichtlich einer deutenden Konklusion, die sich demzufolge hier nicht findet.

Wolfgang Fortner (1907–1987) beginnt sein Klavierlied, enthalten in den Vier Gesängen nach Hölderlin von 1933, »In ruhiger gleichmäßiger Bewegung« und mit einem Siciliano-Rhythmus (3/4-Takt), den das Klavier auch in längeren Zwischenspielen behaglich ausbreitet; die dritte Strophe, »Sehr breit«, steht im 4/4-Takt und wird durch kraftvolle Griffe im fortissimo und ein rhythmisch pointiertes Motiv im Klavier eingeleitet und beendet. Eine »Versöhnung« gibt es ebensowenig wie bei Fröhlich oder Hauer.

Hermann Reutters (1900–1985) Vertonung aus den Drei Gesängen für eine mittlere Singstimme und Streichquartett oder Streichorchester op. 3 von 1936 greift die Kontrastdramaturgie auf, indem sie »Ziemlich fließend, in sanften Rhythmen« beginnt, bei »Schicksallos wie der schlafende Säugling« sogar noch eine Stufe mehr ins Lyrische zurückgeht, um dann aber die dritte Strophe »Wuchtig und ehern« anzugehen, im fortissimo, mit teils homophoner Begleitung, während ein elftaktiges Nachspiel, das »zart verklingt«, Motive des Beginns aufgreift, hierin dem konkludierenden Vorgehen von Brahms ähnlich.

Einen späten Nachklang des romantischen Klavierliedes bringt Hans-Wilhelm Plate (geb. 1947) mit seiner tonal deutbaren Vertonung (enthalten in Hälfte des Lebens, Sieben Lieder für Bariton und Klavier nach Gedichten von Friedrich Hölderlin; 1987) und einer »quasi improvvisando«-Begleitung, die am Ende als kurzes Nachspiel wiederkehrt.

Nicht nur, um dem übermächtigen Vorbild Brahms zu entgehen, haben Komponisten auch immer wieder gänzlich andere Vorgehensweisen zu diesem Text von Hölderlin gewählt. Dmitrij Smirnov (geb. 1948) beispielsweise fällt in seinen Schicksalsliedern von 1980 nicht nur durch die seltene Orgelbegleitung aus der Schar der bisher betrachteten Lieder heraus, sondern auch durch die Form, sein Werk als Thema mit zehn Variationen anzulegen, wobei das Thema ein harmonischer Komplex ist, die Variationen figurative Ausgestaltungen desselben. Ein Nachspiel gibt es nicht. Eine erweiterte Ausarbeitung des Liedes findet sich in Smirnovs Zweiter Sinfonie, einem viersätzigen Werk für Soli, Chor und Orchester auf Hölderlin-Texte im ersten, zweiten und vierten Satz, wobei Hyperions Schicksalslied das Finale bildet.

Auch Karl Heinz Füssl (1924–1992) vermeidet in seinen Acht Hölderlin-Gesängen op. 24 (1981–88), deren achter auf Hyperions Schicksalslied basiert, Anklänge an Brahms, schon durch die geradezu impressionistische Besetzung für hohe Stimme, Flöte, Viola und Harfe. In seinem subtil lyrischen Stil mit tonal gedeuteten Zwölftonreihen erlaubt Füssl sich zu Beginn der dritten Strophe den abrupten Verzicht auf die Harfe, um so den Gegensatz zwischen den „heiligen


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