- 299 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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zu müssen indem sie den Akkord e-gis-h in der linken einen quintlosen Klang e-gis-e1 veränderten: Zu diesen Vertretern der »verbesserten« Version zählte immerhin Moscheles, aber auch der Anonymus bei Breitkopf und Härtel. (Konsequent bieten die beiden Herausgeber an den analogen Stellen in der Reprise den normalen Akkord, da dort bei Wiederholung das Thema im Baß erscheint und keine Parallelen mehr erscheinen.) Andererseits schienen die »verbotenen« Parallelen einem Komponisten wie Brahms, der immerhin drei Stellen aus dem zweiten Satz der Sonate in die »Sammlung interessanter Stellen aus alten Meistern«, bei denen es um Oktav- und Quintparallelen geht101
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Vgl. Johannes Brahms. Thematisch-bibliographisches Werkverzeichnis, hg. nach gemeinsamen Vorarbeiten mit Donald M. McCorkle von Margit L. McCorkle, Wiss. Red. Ernst Herttrich, Assistenz: Wiltrud Martin u. Thomas J. Quigley, München: G. Henle 1984, S. 728. Die beiden Beispiele (Example 92 a u. 92 b) sind abgebildet in: Paul Mast, Brahms’s Study, Octaven u. Quinten u. A. With Schenker’s Commentary translated, in: The Music Forum, 5. Jg. (1980), S. 1–196, hier: Faksimile Ms p. 8 (S. [18]) und Übertragung S. 108.
, nicht erwähnenswert.

Zum Ausblick und Schluß noch einige Anmerkungen zur Durchführung der Sonate: Ab Takt 58 folgen aufeinander drei Viertaktgruppen, die durch Transposition um jeweils eine Quarte aufwärts auseinander hervorgehen: Takt 58–61 ist auf E-Moll, Takt 62–65 auf A-Moll und Takt 66–69 auf D-Moll bezogen, d. h. sie stellen global eine reale Quintfallsequenz dar. (Der E- wie der A-Moll-Teil bieten aber statt der schließenden Molltonika deren verdurte Fassung an, einzig der letzte Viertakter hat D-Moll als Zielklang.) Alle drei Abschnitte, die als für Mozart ungewöhnliche Dynamikkontraste gestaltet sind – ff der erste und dritte, pp der zweite Abschnitt –, haben jeweils einen Orgelpunkt auf der Dominante. Die Harmonien, die jeweils halbtaktig darüber wechseln, bilden tonale Quintfallsequenzen mit namentlich im jeweils zweiten Takt der Gruppe erheblichen Dissonanzen: der Orgelpunkt bzw. die übergebundene Sept erklingen zugleich mit der sechsten Leiterstufe (z. B. Takt 59 die Töne C/c - h1 - c2). Diese Klangschärfe schien wohl einigen älteren Herausgebern nicht vereinbar mit ihrem Mozart-Bild, so daß sie durch einen Haltebogen die Sept an die vorbereitende Note anschlossen, womit das gleichzeitige Anschlagen der dissonierenden Töne unterbleibt. (Immerhin sind die folgenden Septen bereits von Mozart mit einem solchen Bogen versehen102

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Neben der erwähnten klanglichen Entschärfung des Mozartschen Originals läßt sich bei der Sequenz Takt 58 ff. eine weitere Herausgeberzutat benennen, die zwar für sich genommen kaum erwähnenswert wäre, aber im Zusammenhang mit den obigen Überlegungen zur Stimmführung doch einen gewissen Stellenwert verbuchen kann. Beim Übergang von Takt 58 zu Takt 59 folgt in der rechten Hand auf die Sexten-Zweiklänge ein dreistimmiges Geschehen. Die erwähnte Ausgabe von Breitkopf & Härtel ist, was die Mehrfachbehalsung angeht, noch mozärtlicher als Mozart: der Herausgeber bereitet diese Dreistimmigkeit vor: der letzte Zweiklang Takt 58 dis1/h1 ist auftaktig auf der vierten Zählzeit mit einer weiteren Note mit der Tonhöhe des oberen Zweiklangstones versehen. Dieser Ton mit einem nach oben gerichteten Hals führt zur obersten Note des folgenden Taktes 59 – in eine Halbe c2 –, während die andere Note derselben Tonhöhe eine Überbindung zum ersten Ton der punktierten Mittelstimme erfährt. Mozart selbst rückt hier ohne vermittelnden Übergang Zwei- und Dreistimmigkeit nebeneinander. Er verzichtet auch beim Übergang von 61 nach 62 darauf, das e1 in Takt 62 mit einem Doppelhals zu versehen, obwohl recht eindeutig sowohl das dis1 als auch das fis1 hierein münden. (Anders die Takte 66 und 70: hier kann man ins Autograph durchaus eine Doppelbehalsung der unteren Noten des Terzklanges hineinlesen.)
Außerdem ist bei Mozart der aus halben Noten bestehende Zweiklang zu Beginn Takt 59 nicht nur so behalst, daß das e1 einen Hals nach unten und das c2 einen Hals nach oben haben, es sind die beiden Noten zusätzlich noch mit einem sie gemeinsam verbindenden Hals versehen. Dies gilt auch für Takt 60 und 61 sowie bei den entsprechend Stellen der anderen Viertakter. Die Funktion dieser eigentlich überflüssigen Verbindung besteht vermutlich darin anzuzeigen, daß die verbundenen Noten zugleich angeschlagen werden müssen, was aus dem Notenbild der Handschrift mit ihrer etwas seltsamen Plazierung der Mittelstimme nicht immer so eindeutig wie beim gedruckten Notenbild hervorgeht.
) Die Stufenfolgen sind im einzelnen103
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Ob in der Tat die Dur-Akkorde zu Beginn als V. Stufen gehört werden, muß bezweifelt werden (beim ersten Mal ist ja immerhin ein übermäßiger Quintsextakkord vorangehend), zumindest können sie als Ort der modulatorischen Umdeutung angesehen werden.
: V-V-VI-II-

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