- 294 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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ist der Vorwurf des Mechanischen bei diesen Sequenzen eher zurückzustellen.

Exkurs zur Lagendisposition

Gerade im Fall der C-Dur-Sonate dürfte es durchaus als ästhetische Bereicherung gelten, wenn mitten in der Sequenzmechanik (von Takt 64 nach Takt 65) ein Registerwechsel vorgenommen wird94

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Dasselbe geschieht auch an der bereits in Anm. 12 genannten analogen Formstelle in der Reprise des ersten Satzes des C-Dur Klavierkonzertes KV 467 beim Übergang von Takt 335 nach Takt 336.
: Da die Rückführung des Seitensatzes von der Quinttonart in die Grundtonart hier eigentlich nicht als Transposition um eine Quinte abwärts, sondern um eine Quarte aufwärts gestaltet ist, ergeben sich Probleme mit der Lage. Die Melodie des Seitensatzes gerät dann über die Klaviaturobergrenze eines f 3, und so greift Mozart zu der Lösung, daß er zwar die Begleitung um eine Quarte aufwärts, die Melodie selbst aber eine Quinte abwärts disponiert, um sodann im Sequenzteil an genau jener Stelle den Registerwechsel vorzunehmen, ab dem es Tastaturumfang und Syntax erlauben. Zwar könnte schon der zweite Takt der Quintfallsequenz in der Reprise als Aufwärtstransposition gestaltet werden, da er das fragliche f 3 nicht überschreiten würde, jedoch führte dies zu einer Taktgruppierung von 1 + 3 Takten, die sicher nicht im Sinne Mozarts wäre, der durch den Wechsel eine 2 + 2 Gliederung vornahm. (Man beachte, daß aus Anschlußgründen bereits das letzte Viertel von Takt 64 ins höhere Register übernommen wird.) Die Lösung für den Melodieteil, die Begleitung aufwärts und die Melodie abwärts zu transponieren, läßt sich im Sequenzabschnitt nicht realisieren, da sonst rechte und linke Hand kollidierten: daher ist auch die linke Hand von Takt 63 und 64 verglichen mit Takt 17/18 im quinttieferen Register. Alles in allem: aus der scheinbaren Not einer Beschränkung wird die ästhetische Tugend einer Vielgestaltigkeit.

Zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Sequenzen stehend, aber dennoch erwähnenswert: Der Hauptsatz der Sonate wird – eine berühmte Ausnahme in der Geschichte der Sonatenform – in der Reprise nicht in der Grundtonart geboten, sondern ist ebenfalls einer Transposition um eine Quinte unterworfen; er steht in F-Dur. Bezogen auf die Exposition ist dies – und zwar sowohl in der Melodie wie auch in der ihr zugehörigen Begleitung – seinerseits nun ebenfalls eine Transposition um eine Quarte aufwärts. Damit versetzt Mozart den höchsten Ton – Takt 44, 4. Viertel – bis ganz an die oberste Grenze.

Interessanterweise gestaltet Mozart den Schluß des Hauptsatzes in der Reprise nicht – wie es naheliegend wäre – ebenfalls in der Tonart der Subdominante, sondern ab Takt 54 als eine wörtliche, tonhöhengleiche Übernahme von Takt 9 ff. Um diese Gleichheit zu erreichen, nutzt Mozart den Umstand, daß der ans Hauptthema anschließende bzw. zu ihm gehörige Passagenteil, bestehend aus Tonleitern, die melodisch stufenweise sequenziert werden, von der Subdominante in die Tonika führt. Dieser Weg vom Subdominantklang (hier nun: B-Dur) zur Tonika (F-Dur) wird durch eine Wiederholung dieses Teils zur Rückführung nach C-Dur: die Tonika F-Dur in Takt 49/50 wird zur Subdominante der Abschnittswiederholung umgedeutet (mit einer Verwandlung des vormaligen Tones b ins h ab Takt 51). Diese Wiederholung eines Viertakters geht einher mit einer Vertauschung der Strukturen von rechter und linker Hand, aufgrund des Passagencharakters Anfängern des Klavierspiels in leidvoller Erinnerung, da die schwächer trainierte linke Hand hier die Tonleitern zu spielen hat95

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Man beachte, daß es sich nicht um eine exakte Vertauschung handelt: bei dieser müßte die linke Hand mit der Terz a beginnen und die rechte den Grundton f 2 greifen. Durch diese zusätzliche Versetzung der Tonhöhen erreicht Mozart, daß die Baßstimme im Folgenden dieselben Tonhöhen besitzt wie in der Exposition.
. Spieltechnische Schwierigkeiten tun sich auch schon zuvor auf: nicht nur bewirkt die Transposition nach F-Dur für die Passage Takt 46–50 ein Verkomplizierung des Fingersatzes, der durch die hinzutretenden schwarzen Tasten nicht mehr für jeden Takt gleich ist, auch die Passagen der Durchführung bieten vergleichbare pianistische »Probleme«. Am Rande erwähnt: die zur »schwierigen« Durchführung gehörenden Takte 37–41 haben ebenfalls eine Quintfallsequenz zur Grundlage: wie in den oben erwähnten Teilen von

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