- 292 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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46 ist die Quinte von E-Dur so, wie das gis1 des Hauptthemas in Takt 5 bzw. 42 die Quinte des Cis-Moll-Dreiklanges ist.)

Da also die Reprise mit der Überleitung unmittelbar und nahezu überraschend die Grundtonart zurückführt, hätte dieser Formteil eine erheblich geringer harmonische Bewegung, die unausgewogen wirken könnte. (Das Überraschende und »ruckartige« der Rückmodulation – Typus chromatische Modulation – wird von Beethoven durch ein crescendo mit anschließendem subito piano noch unterstrichen, während das vergleichbare Erreichen von Cis-Moll in Takt 26 ff. von einem regulären crescendo mit anschließendem diminuendo begleitet ist.) Das fehlende Quintausschreiten der Reprise – und dies ist der Hauptpunkt für die Einbeziehung der Mondschein-Sonate in einen Quintfalldiskurs – »repariert« Beethoven durch eine tonale Quintfallsequenz, die einmal durch den ganzen Zirkel führt.

Zur spezifischen Ausformung diese Quintfallsequenz einige wenige Bemerkungen. Erstens ist die Stufenfolge I-IV-VII-III-VI-II-V-I nur teilweise mit Septakkorden gestaltet (ab Takt 56 geht jeweils alternierend dem Dreiklang ein Vierklang, genauer ein Quintsextakkord voran). Zweitens läßt sich der erste Akkord der ersten Stufe als Alteration begreifen, gewissermaßen als Zwischendominante zum Fis-Moll der IV. Stufe in Takt 55. Der eigentliche Grund aber ist der Umstand, daß der vorangehende Seitenthemaanfang ja in Cis-Dur endete. Drittens bewirkt die Verwendung von Septakkordumkehrungen in Abfolge mit unumgekehrten Dreiklängen, daß eine Baßlinie entsteht, die sich motivisch am Themenkopf des Seitensatzes orientiert. Viertens ist aus demselben Grund der Baßschritt von der dritten Zählzeit des Taktes 55 zur ersten des folgenden eine aufwärtsgeführte Sexte anstelle der einfachen Quart. Ein emphatischer Sextaufstieg (durch einen Quartschritt vermittelt) war auch die Baßlinie des (auch kurz zuvor erklingenden) Kopfteiles des Seitensatzes. Fünftens verdient auch die Gestaltung der Dauernwerte und metrischen Position der Akkorde im Vergleich zur Standardform Beachtung. Stichworte: Dominante gewöhnlich auf schwerem, Tonika auf leichtem Taktteil, hier aber gerade umgekehrt; dadurch auch in Takt 55 f.; metrumsbedingt Erwartung einer Fortführung in die IV. Stufe zu Beginn von Takt 58; statt dessen erweitere Kadenz mit dem Quintsextakkord der II. Stufe, dem Subdominantakkord mit der ajoutierten Sexte; dazwischen Beschleunigung des harmonischen Rhythmus. Sechstens läßt sich eine enge Anlehnung an die anders geartete Fortsetzung des Seitensatzbeginnes in der Exposition beobachten. Dort war nach dem Tonumschreibungsmotiv und seiner Wiederholung die Melodie gekennzeichnet zum einen von der Tonwiederholung (Takt 19 f.) und zum andern von einer (verglichen mit dem Hauptsatz erheblich längeren) stufenweisen Abwärtsführung der Melodie (Takt 20 ff.) bis zum schließenden Quintfall mit den Antiparallelen im Baß und dem kadenzierenden Quartsextakkord (Takt 22 f.). All diese Elemente finden sich getreulich wieder in der Entsprechung im fraglichen Reprisenabschnitt.


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