- 289 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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ein Gegengewicht bildet84
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Sowohl das Bach-Präludium als auch die Chopin-Etüde verfuhren da analog: Zu Beginn muß zuerst eine mehr oder minder stark ausgebildete Kadenz die Tonart festlegen, bevor von ihr weggeschritten werden kann.
: es könnte sich sonst um den atonikalen Beginn eines Stückes in E-Dur handeln85
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Eine historische Untersuchung zum Problem des nichtonikalen Anfangens ist die Wiener Dissertation von Lieselotte Pribyl, Das Phänomen der atonikalen Werkeröffnung in der Klaviermusik von Ph. E. Bach bis R. Schumann (1970, mschr.), in gekürzter Fassung veröffentlicht als Lieselotte Theiner, Das Phänomen der atonikalen Werkeröffnung in der Musik von Ph. E. Bach bis R. Schumann, in: Studien zur Musikwissenschaft, 28. Bd. (1977), S. 115–169.
. Die so bewirkte Modulation ist ihrerseits von einer Direktheit, die im Vergleich mit den anderen modulatorischen Vorgängen des Satzes, einzig dasteht.

Zugleich erlaubt der Einschub des Vorhaltsquartsextakkordes, daß die Oberstimme der reinen Akkordsequenz, nämlich die Linie gis1 - a1-fis1-gis1, eine Ausfüllung ihres Terzschrittes erhält und sich sinnfällig in den Grundton fortsetzt: gis1 - a1-gis1-fis1 - e1. Diese Melodielinie erfährt nun, um zur endgültigen Gestalt zu gelangen, noch einen weiteren Zusatz: statt vom fis1 direkt zum e1 zu gehen, wird noch ein Aufwärtssprung (zum h1) eingeschoben, den – abgesehen vom entsprechenden Teil der Reprise – keine der Melodien der weiteren Abschnitte aufweist86

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Eliminiert man den Quart-Quint-Schritt, so ist der Verlauf der Melodiestimme terzparallel zur Oberstimme der Einleitung. Vgl. Timothy Jones, Beethoven: The ‘Moonlight’ and other Sonatas, Op. 27 and Op. 31, Cambridge, New York u. Melbourne: Cambridge University Press 1999 (= Cambridge Music Handbooks; o. Nr.), S. 82 u. Notenbeispiel S. 83.
. Wohl aber der an den Quartsprung aufwärts sich anschließende Quintfall: er wird – wie schon erwähnt – zum charakteristischen Kennzeichen des Phrasen- bzw. Formteilschlusses. Dieser hinzutretende Quart-Quint-Schritt der Oberstimme, als »Melodie-Zutat« auch dadurch ausgewiesen, daß hier singulär die Oktavkoppelung von Melodiestimme und tiefstem Ton der Triolenbegleitung aufgegeben wird, korrespondiert mit der gleichen Intervallfolge im Baß. Um am Ende keine Oktavparallelen zu erhalten, führt Beethoven den Baß vom H nicht abwärts ins E sondern ins e: er schreibt Antiparallelen – auch dies ein charakteristisches Kennzeichen der übrigen Formteilenden. (Daß die durch den Vorhaltsquartsextakkord induzierte Wiederholung des Baßtones H die im elementaren Satz gewöhnlich vermiedene unmittelbare Aufeinanderfolge zweier Quint- bzw. Quartschritte in derselben Richtung »berichtigt«, scheint sekundär zu sein: gelegentlich schreibt Beethoven durchaus solche »verbotenen« Folgen87
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So etwa im zweiten Satz von op. 13: in der (teildominantisierten) Quintfallsequenz des Themennachsatzes Takt 6/7 folgt im Baß auf die fallende Quinte c - F ein weiterer Quintschritt in dieselbe Richtung: F-Kontra-B. Seine Umlenkung in einen Quartanstieg bei der Themenwiederholung beim Übergang von Takt 14 nach 15 dürfte mit grifftechnischen Problemen zusammenhängen. Die Gründe für den »verbotenen« doppelten Quintschritt in dieselbe Richtung sind vermutlich in der raumgreifenden Disposition des Baßstimme in Oktavsprüngen ab der Mitte von Takt 3 zu suchen; demzufolge wäre zu vermuten, daß auch Takt 16 einen Oktavsprung Kontra-As/großes As/Kontra-As hätte, wenn dies spieltechnisch möglich wäre. (Zur Themenkonstruktion der drei Sätze, die sich in das in Anmerkung 82 genannte Entwicklungsmodell einfügt, und zu satzübergreifenden Beziehungen vgl. vom Verfasser: Komplexe Abbildungen musikalischer Strukturen innerhalb eines Werkes am Beispiel von Beethovens Pathétique op. 13, in: Musiktheorie, 14. Jg. [1999], H. 2, S. 99–113.)
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