ein Gegengewicht
bildet 84
Sowohl das Bach-Präludium als auch die Chopin-Etüde verfuhren da analog: Zu Beginn muß
zuerst eine mehr oder minder stark ausgebildete Kadenz die Tonart festlegen, bevor von ihr
weggeschritten werden kann.
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es könnte sich sonst um den atonikalen Beginn eines Stückes in E-Dur
handeln 85
Eine historische Untersuchung zum Problem des nichtonikalen Anfangens ist die Wiener
Dissertation von Lieselotte Pribyl, Das Phänomen der atonikalen Werkeröffnung in der
Klaviermusik von Ph. E. Bach bis R. Schumann (1970, mschr.), in gekürzter Fassung
veröffentlicht als Lieselotte Theiner, Das Phänomen der atonikalen Werkeröffnung in der
Musik von Ph. E. Bach bis R. Schumann, in: Studien zur Musikwissenschaft, 28. Bd. (1977),
S. 115–169.
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Die so bewirkte Modulation ist ihrerseits von einer Direktheit, die im Vergleich mit den
anderen modulatorischen Vorgängen des Satzes, einzig dasteht.
Zugleich erlaubt der Einschub des Vorhaltsquartsextakkordes, daß die Oberstimme der
reinen Akkordsequenz, nämlich die Linie gis1 - a1-fis1-gis1, eine Ausfüllung
ihres Terzschrittes erhält und sich sinnfällig in den Grundton fortsetzt:
gis1 - a1-gis1-fis1 - e1. Diese Melodielinie erfährt nun, um zur endgültigen Gestalt zu
gelangen, noch einen weiteren Zusatz: statt vom fis1 direkt zum e1 zu gehen,
wird noch ein Aufwärtssprung (zum h1) eingeschoben, den – abgesehen vom
entsprechenden Teil der Reprise – keine der Melodien der weiteren Abschnitte
aufweist86
Eliminiert man den Quart-Quint-Schritt, so ist der Verlauf der Melodiestimme terzparallel
zur Oberstimme der Einleitung. Vgl. Timothy Jones, Beethoven: The ‘Moonlight’ and other
Sonatas, Op. 27 and Op. 31, Cambridge, New York u. Melbourne: Cambridge University
Press 1999 (= Cambridge Music Handbooks; o. Nr.), S. 82 u. Notenbeispiel S. 83.
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Wohl aber der an den Quartsprung aufwärts sich anschließende Quintfall: er wird –
wie schon erwähnt – zum charakteristischen Kennzeichen des Phrasen- bzw.
Formteilschlusses. Dieser hinzutretende Quart-Quint-Schritt der Oberstimme, als
»Melodie-Zutat« auch dadurch ausgewiesen, daß hier singulär die Oktavkoppelung von
Melodiestimme und tiefstem Ton der Triolenbegleitung aufgegeben wird, korrespondiert
mit der gleichen Intervallfolge im Baß. Um am Ende keine Oktavparallelen zu erhalten,
führt Beethoven den Baß vom H nicht abwärts ins E sondern ins e: er schreibt
Antiparallelen – auch dies ein charakteristisches Kennzeichen der übrigen Formteilenden.
(Daß die durch den Vorhaltsquartsextakkord induzierte Wiederholung des Baßtones H
die im elementaren Satz gewöhnlich vermiedene unmittelbare Aufeinanderfolge
zweier Quint- bzw. Quartschritte in derselben Richtung »berichtigt«, scheint
sekundär zu sein: gelegentlich schreibt Beethoven durchaus solche »verbotenen«
Folgen 87
So etwa im zweiten Satz von op. 13: in der (teildominantisierten) Quintfallsequenz des
Themennachsatzes Takt 6/7 folgt im Baß auf die fallende Quinte c - F ein weiterer
Quintschritt in dieselbe Richtung: F-Kontra-B. Seine Umlenkung in einen Quartanstieg bei
der Themenwiederholung beim Übergang von Takt 14 nach 15 dürfte mit grifftechnischen
Problemen zusammenhängen. Die Gründe für den »verbotenen« doppelten Quintschritt
in dieselbe Richtung sind vermutlich in der raumgreifenden Disposition des Baßstimme
in Oktavsprüngen ab der Mitte von Takt 3 zu suchen; demzufolge wäre zu vermuten,
daß auch Takt 16 einen Oktavsprung Kontra-As/großes As/Kontra-As hätte, wenn dies
spieltechnisch möglich wäre. (Zur Themenkonstruktion der drei Sätze, die sich in das in
Anmerkung 82 genannte Entwicklungsmodell einfügt, und zu satzübergreifenden Beziehungen
vgl. vom Verfasser: Komplexe Abbildungen musikalischer Strukturen innerhalb eines Werkes
am Beispiel von Beethovens Pathétique op. 13, in: Musiktheorie, 14. Jg. [1999], H. 2, S.
99–113.)
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