- 282 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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sind dominantisiert (d. h. mit einer Dur-Terz versehen) – so der B-Dur-Septakkord in der ersten Hälfte von Takt 52 (mit Terz im Baß) und im ganzen Takt 53 (Terz im Baß gefolgt vom Grundton). Konsequenterweise ist dieser neue Leitton Durterz (D bzw. d2) dann in Takt 53 auch aufwärtsgeführt ins es2 geführt, wodurch aus dem Es-Moll-Septakkord gleich zu Beginn von Takt 3 bei der Wiederholung in Takt 54 ein einfacher, zunächst quintloser68
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Dies ist die »schulmäßige« Lösung.
Molldreiklang wird, dessen Sept erst nachschlagend eingeführt wird. (Die dritte Zählzeit von Takt 54 aber ist trotz des Auflösungszeichens keine Dominantisierung: das c2 ist leitereigen, das Zeichen ein Sicherheitsauflöser zum ces2 in vorvorherigen Takt.) Daß er überhaupt von einer identischen Wiederholung absieht, hängt natürlich mit der Form insgesamt und dem geschichtlichen Entwicklungsstand der musikalischen Sprache zusammen: zum einen ist es der auch in anderen Werken und syntaktischen Dimensionen beobachtbare Einbruch des Dynamisch-Entwicklungsmäßigen auch in Teile mit quasi statisch-symmetrischen Entsprechungen, zum anderen eine Folge der spezifischen Gestaltung des Formteilüberganges zwischen »Durchführungsende« und »Reprisenbeginn«, Stichwort »Brahmssche Verschleierung der Reprisen«69
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Zum Problem der Reprisen bei Brahms: Reinhold Brinkmann, Anhand von Reprisen, in: Brahms-Analysen. Referate der Kieler Tagung 1983, Kassel, Basel u. London: Bärenreiter 1984 (= Kieler Schriften zur Musikwissenschaft; Bd. 28), S. 107–120. Allerdings ist die »Verschleierung« hier nicht so extrem wie im Intermezzo op. 119, Nr. 3, wo Peter Petersen – zu Recht – an einer anderen Stelle (Takt 41) den Reprisenbeginn ansetzt als Brinkmann (Takt 45) (Rhythmische Komplexität in der Instrumentalmusik von Johannes Brahms, in: Johannes Brahms. Quellen – Text – Rezeption – Interpretation. Internationaler Brahms-Kongreß Hamburg 1997, hg. in Verbindung mit Constantin Floros u. Peter Petersen von Friedhelm Krummacher u. Michael Struck, München: G. Henle 1999, S. 154 ff.) Petersen nimmt dort in Anmerkung 21 unmittelbar Bezug auf Brinkmann.
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War in der »Exposition« eine diatonische Quintfallsequenz von einer realen, d. h. dominantisierten Form gefolgt, so ist von Interesse, was sich nun in der Reprise ereignet. Erwarten würde man, daß nach einer Form mit teilweiser Dominantisierung nun ein Teil folgte, bei dem die Dominantisierung eigentlichen potenziert werden müßte. (Zwischendominantisierung bei einer Formteilwiederholung macht sich sogar noch im »Seitensatz« – bekanntlich eine Art rhythmisch geglätteter harmonischer Zusammenfassung des »Hauptsatzes« – bemerkbar: Takt 32 und 33 dominantisieren jeweils die Tonika zur Zwischendominante zur Subdominante, während Takt 24 und 25 ohne solchen Erscheinungen auskommen70

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Wolf-Dieter Seiffert weist darauf hin, daß im Autograph die jeweils letzten Sechzehntel in der rechten Hand von Takt 24 und 32 durch Gabeln hervorgehoben sind, wohingegen die Druckausgaben durchweg auf die vorletzten die Stelle der stärksten Betonung legen (Crescendo- und Decrescendo-Gabeln als Editionsproblem der Neuen Brahms-Gesamtausgabe, in: Krummacher/Struck [Hg.], a. a. O. [s. Anm. 69], S. 251). Dies aber sind genau jene Stellen, an denen sich der Unterschied zwischen der nichtdominantisierten Form und der dominantisierten Form manifestiert.
.)

Die Lösung,


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