- 275 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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des Wohltemperierten Klaviers: im Baß die Stelle um den berühmten 23., sog. »Schwenckeschen« Takt, in der Oberstimme Takt 27–29 (parallel dazu im Tenor) und im Alt 2 Takt 30–33.

2. Quintfallsequenzenfall: Das Intermezzo op. 117, Nr. 2 von Brahms

Daß Chopins Etüde nicht das einzige Werk ist, in dem in – man möchte fast sagen – didaktischer Weise tonale und reale Quintfallsequenzen unmittelbar miteinander kombiniert werden, war wohl zu erwarten52

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Das bereits in Anm. 12 erwähnte Klavierkonzert in C-Dur von Mozart (KV 467) kennt neben den dort genannten tonalen Quintfallsequenzen der Spielfigurenabschnitte in der Exposition (und Reprise) des ersten Satzes auch in dessen Durchführung ausgedehnte Sequenzpassagen: Mit Takt 238 beginnt eine reale Quintfallsequenz, die mit einem Verkürzungsvorgang bei Takt 251/252 ab Takt 253 unmittelbar in eine tonale Sequenz mündet. Allerdings ließe sich darüber streiten, ob bei einem viertaktigen Modell wie zu Beginn des realen Sequenz nicht die Grenze dessen, was man sinnvoll als Sequenz bezeichnen kann, erreicht ist oder ob man hier eher von einem Modulationsplan sprechen sollte, der auf Quinttranspositionen beruht.
. Einen besonders eindrücklichen Fall stellt das Brahmssche, in B-Moll endende Intermezzo op. 117, Nr. 2 dar. (Daß hier eine Formulierung gewählt wurde, die an den sog. »bifocale close« erinnert, hat seinen Grund darin, daß die in dem Stück vorkommende Sequenz nebst ihrem Startklang durchaus zwei verschiedene tonale Bezugspunkte bzw. Tonartendeutungen zuläßt.) Eine Analyse von Elmar Budde53
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Johannes Brahms’ Intermezzo op. 117, Nr. 2, in: Analysen. Beiträge zu einer Problemgeschichte des Komponierens. Festschrift für Hans Heinrich Eggebrecht zum 65. Geburtstag, hg. von Werner Breig, Reinhold Brinkmann u. Elmar Budde, Wiesbaden: Franz Steiner 1984 (= Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft; Bd. 23), S. 324–337.
hebt hervor, daß über die Tatsache hinaus, daß alle tonalen Quintfallsequenzen in je zwei Tonarten (wobei die eine die Paralleltonart der jeweils andern ist54
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So kann entsprechend Diether de la Motte in seiner Harmonielehre die Quintfallsequenz in Dur und dem parallelen äolischen Moll mit einem einzigen Notenbeispiel darstellen (a. a. O. [s. Anm. 5], S. 113).
) gedeutet werden können, in diesem Stück von Brahms die harmonische Vieldeutigkeit geradezu ein Konstruktionsprinzip ist, auch wenn diese Auffassung harmonischer Mehrdeutigkeiten nicht von allen Autoren geteilt wird55
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So etwa Erhard Karkoschka in seiner Rezension der Eggebrecht-Festschrift »Abendländisches« Komponieren, in: Musica, 41. Jg. (1987), H. 1 (Jan./Feb.), S. 57–63, hier S. 57–59.
. Es soll auch nicht für die eine oder andere Auffassung Partei ergriffen werden, sondern lediglich auf einige zusätzliche Aspekte hingewiesen werden: die Buddesche Analyse bleibt vorausgesetzt. Der Aspekt, den es hier zu unterstreichen gilt, ist der kompositorische Sachverhalt, daß das Thema, das in wichtigen Teilen aus einer Quintfallsequenz besteht, im Verlauf seines insgesamt viermaligen Vorkommens sich immer weiter von der einfachsten Gestalt in kompliziertere Erscheinungsformen wandelt.

Wird in einer tonalen Quintfallsequenz die Fortschreitung so oft angewendet, daß der Ausgangsakkord – zumeist die Tonika – wieder erreicht wird, so ergibt sich damit eine metrische Irregularität: nach 7 Quintschritten ist man am Ziel,


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