- 272 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (271)Nächste Seite (273) Letzte Seite (435)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Hände beherrschbare Schwierigkeit hier noch um einiges gesteigert, da die Fingerspannweite aufgrund des spezifischen Baus der menschlichen Hand zwischen Daumen und drittem bzw. viertem Finger größer ist als die zwischen dem zweiten und fünften. Besonders unangenehm ist der Oktavgriff mit zweitem und fünftem Finger in Takt 31 durch die Konstellation von zwei (obenliegenden) schwarzen Tasten kombiniert mit der dazwischen befindlichen (untenliegenden) weißen48
48
Der Verfasser erinnert sich an ein nächtliches Gespräch mit Max Haas in einem Grazer Hotel, wo spontane Einigkeit über die klaviertechnische Problematik speziell dieser Stelle und der nachfolgend genannten erzielt wurde, zu deren Lösung es »guter Lehrer« bedarf. Was Haas darunter versteht, hat er u. a. in dem in Anm. 1 genannten Aufsatz angedeutet (S. 89), ferner – mit speziellem Bezug zu Op. 10, Nr. 1 – ders., Musikgeschichtsschreibung in Schwierigkeiten. Einige Probleme mit dem Thema »Notation und nichtschriftliche Überlieferungssysteme von Musik«, in: Improvisation IV, hg. von Walter Fähndrich, Winterthur 2001, S. 141. Der Verfasser würde nicht so weit gehen, kleine Vorträge über Chopins eigenes Spiel – insbesondere auf der Basis von dessen eigenen Überlegungen aus seinem Entwurf einer Klavierschule – als weitgehend überflüssig anzusehen. (Chopins Entwurf, lange Zeit nur durch Alfred Cortots Aspects de Chopin [Paris: Éditions Albin Michel 1949] zugänglich, liegt nunmehr als selbständige Publikation vor: Frédéric Chopin. Esquisses pour une méthode de piano. Textes réunis et présentés par Jean-Jacques Eigeldinger, Paris: Flammarion 1993 [= Série: Écrits de musiciens].) Zu der von Haas erwähnten Unterscheidung von »Zeigen« vs. »Reden« bzw. »Schreiben«, den »Zeigehandlungen« im Unterschied zu den »Zeichenhandlungen« (a. a. O., Musikgeschichtsschreibung . . . , S. 141, sowie a. a. O. [s. Anm. 1], Musik und Sprache . . . , S. 89 f.), vgl. auch die Aussage Koczalskis in Anm. 47.
Die spezifische Konstellation von weißen und schwarzen Tasten sorgt darüber hinaus auch noch an einer anderen Stelle für singuläre Schwierigkeit, die die genannte Zweiter-Finger/fünfter-Finger-Spannung nicht aufweist: der A-Dur-Dreiklang von Takt 35 f.
: für Nichtpianisten ist dies kenntlich dadurch, daß an eben dieser Stelle manche Herausgeber einen Alternativ-Fingersatz mit Daumenuntersatz auf dem a vorschlagen49
49
So etwa Paul Badura-Skoda in seiner Ausgabe der Etüden Etudes Op. 10 UT 50030, Mainz / Wien: Schott / Universal Edition, Verlag Wiener Urtext Edition 1973.
(für Takt 30 sind sogar von Chopin für das b zwei verschieden Originalapplikaturen überliefert – es kann sowohl mit dem dritten wie mit vierten Finger gespielt werden). Fazit: Es ist durchaus auch denkbar, daß eine über drei Takte hinweg geschriebene Oktavspannung zwischen zweitem und fünftem Finger auf schwarzen Tasten als spieltechnisches Problem der Ausgangspunkt der musikalischen Erfindung war und die konkrete stimmführungsmäßige Gestaltung des fraglichen Sequenzteiles eher die kompositorische Folge.

Der Formabschnitt, der sich an die zweite, reale Quintfallsequenz anschließt und zur Grundtonart zurückleitet – die Takte 35 bis 48 –, ist wiederum im Sinne der zwei mit einander verbundenen Hauptthesen darstellbar. Die eine – die von der Rückführbarkeit der Chopin-Etüde auf das Bach-Präludium – dürfte unmittelbar einleuchten und sei daher nicht eigens ausgeführt; die andere – jene von der Variabilität des Relationsmodelles Quintfallsequenz kann nach dem bisher Gezeigten nunmehr stichwortartig abgehandelt werden. Die fraglichen Takte sind intern nochmals gegliedert in einen Quintfallsequenzenteil mit realer und – damit unmittelbar verknüpft – einen mit tonaler Sequenzierung (gefolgt von einem schließenden Teil in E-Dur). Der real sequenzierende Abschnitt führt vom A-


Erste Seite (1) Vorherige Seite (271)Nächste Seite (273) Letzte Seite (435)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 272 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben