Hände beherrschbare Schwierigkeit hier noch um einiges gesteigert, da
die Fingerspannweite aufgrund des spezifischen Baus der menschlichen Hand
zwischen Daumen und drittem bzw. viertem Finger größer ist als die zwischen dem
zweiten und fünften. Besonders unangenehm ist der Oktavgriff mit zweitem und
fünftem Finger in Takt 31 durch die Konstellation von zwei (obenliegenden)
schwarzen Tasten kombiniert mit der dazwischen befindlichen (untenliegenden)
weißen 48
Der Verfasser erinnert sich an ein nächtliches Gespräch mit Max Haas in einem Grazer Hotel,
wo spontane Einigkeit über die klaviertechnische Problematik speziell dieser Stelle und der
nachfolgend genannten erzielt wurde, zu deren Lösung es »guter Lehrer« bedarf. Was Haas
darunter versteht, hat er u. a. in dem in Anm. 1 genannten Aufsatz angedeutet (S. 89), ferner –
mit speziellem Bezug zu Op. 10, Nr. 1 – ders., Musikgeschichtsschreibung in Schwierigkeiten.
Einige Probleme mit dem Thema »Notation und nichtschriftliche Überlieferungssysteme von
Musik«, in: Improvisation IV, hg. von Walter Fähndrich, Winterthur 2001, S. 141. Der
Verfasser würde nicht so weit gehen, kleine Vorträge über Chopins eigenes Spiel – insbesondere
auf der Basis von dessen eigenen Überlegungen aus seinem Entwurf einer Klavierschule
– als weitgehend überflüssig anzusehen. (Chopins Entwurf, lange Zeit nur durch Alfred
Cortots Aspects de Chopin [Paris: Éditions Albin Michel 1949] zugänglich, liegt nunmehr als
selbständige Publikation vor: Frédéric Chopin. Esquisses pour une méthode de piano. Textes
réunis et présentés par Jean-Jacques Eigeldinger, Paris: Flammarion 1993 [= Série: Écrits
de musiciens].) Zu der von Haas erwähnten Unterscheidung von »Zeigen« vs. »Reden« bzw.
»Schreiben«, den »Zeigehandlungen« im Unterschied zu den »Zeichenhandlungen« (a. a. O.,
Musikgeschichtsschreibung . . . , S. 141, sowie a. a. O. [s. Anm. 1], Musik und Sprache . . . , S.
89 f.), vgl. auch die Aussage Koczalskis in Anm. 47.
Die spezifische Konstellation von weißen und schwarzen Tasten sorgt darüber hinaus
auch noch an einer anderen Stelle für singuläre Schwierigkeit, die die genannte
Zweiter-Finger/fünfter-Finger-Spannung nicht aufweist: der A-Dur-Dreiklang von Takt 35 f.
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für Nichtpianisten ist dies kenntlich dadurch, daß an eben dieser Stelle manche
Herausgeber einen Alternativ-Fingersatz mit Daumenuntersatz auf dem a
vorschlagen 49
So etwa Paul Badura-Skoda in seiner Ausgabe der Etüden Etudes Op. 10 UT 50030, Mainz
/ Wien: Schott / Universal Edition, Verlag Wiener Urtext Edition 1973.
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(für Takt 30 sind sogar von Chopin für das b zwei verschieden Originalapplikaturen
überliefert – es kann sowohl mit dem dritten wie mit vierten Finger gespielt werden).
Fazit: Es ist durchaus auch denkbar, daß eine über drei Takte hinweg geschriebene
Oktavspannung zwischen zweitem und fünftem Finger auf schwarzen Tasten als
spieltechnisches Problem der Ausgangspunkt der musikalischen Erfindung war und die
konkrete stimmführungsmäßige Gestaltung des fraglichen Sequenzteiles eher die
kompositorische Folge.
Der Formabschnitt, der sich an die zweite, reale Quintfallsequenz anschließt und zur
Grundtonart zurückleitet – die Takte 35 bis 48 –, ist wiederum im Sinne der zwei mit
einander verbundenen Hauptthesen darstellbar. Die eine – die von der Rückführbarkeit
der Chopin-Etüde auf das Bach-Präludium – dürfte unmittelbar einleuchten und
sei daher nicht eigens ausgeführt; die andere – jene von der Variabilität des
Relationsmodelles Quintfallsequenz kann nach dem bisher Gezeigten nunmehr
stichwortartig abgehandelt werden. Die fraglichen Takte sind intern nochmals
gegliedert in einen Quintfallsequenzenteil mit realer und – damit unmittelbar
verknüpft – einen mit tonaler Sequenzierung (gefolgt von einem schließenden Teil
in E-Dur). Der real sequenzierende Abschnitt führt vom A- |