- 271 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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bestimmt43
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Insgesamt scheinen, wie die vorigen Ausführungen zu Takt 4 und 5 zeigen, sich »falsche« Quinten stärker bemerkbar zu machen als die Oktaven.
. Mit dieser Fortführung des Basses vom B ins A statt ins Es wären es aber zusammen mit dem Ces drei Töne, die in einer anderen Stimme Oktavverdoppelungen erhielten. Mithin wäre die Voraussetzung für ihre Deutung als erlaubte Stimmkoppelung im Unterschied zu verbotenen Parallelen, die ja nur isoliert zwischen zwei benachbarten Akkorden bestehen, gegeben.

Ein letztes Detail im Zusammenhang mit der Oktavparallele von Takt 32 nach Takt 33: In Takt 33 ist die Baßstimme ohne die sonst fast durchgängige Unter- bzw. Oberoktave. Dieser Umstand ließe sich durchaus im Sinne der Parallelenvermeidung diskutieren, da das mögliche spieltechnische Argument des Zusammenfallens von Tönen der rechten und linken Hand mit ihrer raschen Tonrepetition ja nicht greift: schon mit dem nächsten neuen Baßton wird derartiges verlangt44

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Die fehlenden Oktavierungen in Takt 37, 39 usw. wären ihrerseits anders zu begründen; ebenso diejenigen der Urfassung Takt 42 ff. (zur Urfassung s. Anm. 36).
.

Die in der Ableitung gezeigten, eher unspektakulären Abweichungen der tatsächlich geschriebenen von einer fiktiven regulären Form sind aber durchaus von musikalischem wie pianistischem Interesse. Chopin erreicht mit ihnen zum einen die bereits erwähnte Verkomplizierung der Metrik in Bezug auf die harmonischen Spannungen45

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Im Notenbeispiel 3 deuten die Pfeile innerhalb der Akkoladen die Bewegungsrichtung der Figuration an (die ja zugleich auch die Richtung ihrer Oktavversetzungen ist). Pfeile zwischen den Systemen zeigen, wo Chopin gegenüber der regulären Sequenz zeitliche Verdoppelungen vorgenommen hat.
. Musikalisch bedeutsam ist aber auch die aus der Unregelmäßigkeit resultierende Führung der Außenstimmen: die auffällige, quasi kontrapunktische Dehnung des bezogen auf den Zielton Cis Pänultima-Klanges Es. Ferner die Vorbereitung des schließenden Halbtonschrittes B -A im Baß durch das vorangehende Ces-B im Zusammenhang mit der Oberstimme es-d-cis, deren erster Ton jedoch schon eintritt, während im Baß noch der Schritt Ges-F erfolgt. Und schließlich – drittens – die pianistische Singularität dieser Stelle: im Unterschied nahezu zu allen übrigen Figurationen ist in Takt 30–32 die Oktavspannung in der rechten Hand zwischen dem zweiten und fünften Finger statt wie zumeist zwischen Daumen und dem viertem, was eine erheblich Steigerung der spieltechnischen Probleme der ohnehin nicht einfachen Klavieretüde mit sich bringt46
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Auch Takt 47/48 weist diese Intervallkonstellation auf.
. Ist es ein Kennzeichen des zentralen spieltechnischen Problems dieses Stückes, daß die Arpeggien der rechten Hand den Oktavrahmen überschreiten, so wird diese durch eine geeignete Spielweise47
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Gemeint ist insbesondere die Einbeziehung der seitlichen Bewegungen des Handgelenks, wie sie – vermittelt durch die Erfahrungen des Chopin-Schülers Karol Mikuli – vor allem Raoul von Koczalski beschrieb: »Er [Chopin] konnte mit seinen verhältnismäßig kleinen Händen weitgriffige Akkorde spannen, [. . . ] denn das Handgelenk, nicht der Arm befand sich in steter Bewegung« (Frédéric Chopin. 1809 : 1909, Leipzig: P. Pabst 3. Aufl. 1922, S. 24). Um sogleich hinzuzufügen: »Diese Methode kann man, der richtigen Handstellung wegen, sowie wegen der damit verknüpften eigenartigen Übungen nur durch Vorführung am Klavier erläutern.« (A. a. O., S. 25.)
auch für kleinere

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