- 265 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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eines E-Dur-Septakkordes anstelle des leitereigenen E-Moll-Septklanges28
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In der Wendung nach E-Dur – also Mediantik – anstelle von G-Dur – Dominantik – schlägt sich die Entwicklung der romantischen Harmonik nieder, ihre Emanzipation von den bloßen Quint- und Parallelklangsbeziehungen.
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Von Interesse ist in beiden Kompositionen der Anschluß von der Eröffnungskadenz zum Sequenzteil. Bei Bach tritt in der Oberstimme eine sequenzierende melodische Quart-Quint-Folge auf, die die beiden Teile zusätzlich verbindet. Bei Chopin ist dieser Anschluß noch weiter getrieben. Die letzten vier Takte der eröffnenden 16taktigen Periode sind jeweils mit charakteristischen Vorhaltsbildungen versehen: die Dominante mit Quart- und die Tonika mit Nonenvorhalt. In diese taktweise aufsteigende Vorhaltsmechanik fügt sich die Oberstimmenlogik der anschließenden Septakkordsequenz nahtlos ein. So gesehen ist die auch halbfreie Einführung des dissonanten e motiviert, und selbst der Baßschritt von C nach A beim Übergang von Takt 16 nach 17 korrespondiert mit dem gleichen Schritt in der Wiederholung der Eröffnungskadenz in Takt 9/10 nach 11/12, der ja zuvor ein echter Quintfall in die Subdominante war (Takt 2 nach 3). Bei Bach ist im Baß der Anschluß durch das Liegenlassen des Grundtones als Terz der VI. Stufe gegeben29

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Dieser Anschluß durch Liegenlassen ist schon in der Frühform gegeben, dort ist der Ton allerdings die Septe des Sekundakkordes.
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Notenbeispiel 2


Exkurs zur Sequenzierung im Bach-Präludium.

Die Rückkehr von der Nebentonart zur Haupttonart im Bachschen Präludium, dessen Takte 12 bis 19, wurde bekanntlich in der Endfassung so gestaltet, daß er – von zwei Unterschieden abgesehen – praktisch die Unterquinttransposition jenes Abschnittes nach der Eröffnungskadenz bildet: Da der erste Teil von C nach G führt, der andere aber in umgekehrter Richtung von G nach C, ist völlige Gleichheit (wenn man die Anschlußstellen mit einbezieht) nicht erreichbar30

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Sowohl Takt 4 als auch Takt 11 enden in Terzlage. Führe man in Takt 11 genauso fort, wie im quinthöheren Takt 4, so gelangte man nach D-Dur; umgekehrt führe eine Fortsetzung ab Takt 4 ff. nach dem Muster der Takt 11 ff. nach F-Dur.
. Bach entschloß sich in der Endfassung für eine ungleiche Länge der korrespondierenden Abschnitte31
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Fügte man zwischen Takt 4 und 5 eine Zwischendominante (E-Dur) – etwa als Sekundakkord – ein so wäre die 4taktgliederung wiederum gewahrt und die Entsprechung noch weiter getrieben; vgl. Kinzler, »Cela ne s’oublie ...«, a. a. O. (s. Anm. 15), S. 18, erstes Notenbeispiel. Denkbar auch, daß von Takt 4 direkt nach Takt 6 gegangen würde und die Oktavparallelen, die die früheste Fassung ja noch aufwies, dadurch beseitigt worden wären, daß dieser Sekundakkord im Hinblick auf die Stimmführung in Analogie zu Takt 2 gestaltet werden würde. Die dabei entstehenden unangenehmen Großterzparallelen c2 - e2/d2-fis2 ließen sich durch einen verminderten Septakkord à la Takt 12 mildern.
– ein Gestaltung, die im Hinblick

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