– vom
Autor selbst weit ausführlicher veranschlagt wurde, als es die Kollegin vorsah.
Mögen daher die folgenden Ausführungen einen Einblick darin geben, wie sich
im »wirklichen Leben« – in den Kunstwerken – dieses nicht einmal in allen
Lehrbüchern überhaupt vorhandene Unterkapitel der Harmonielehre abspielen
kann.
Quintfallsequenzen, aber auch Sequenzen ganz allgemein, werden in den
gängigen Harmonielehrebüchern mit unterschiedlicher Ausführlichkeit
abgehandelt4
Bezeichnend für die Situation ist der Titel einer Abhandlung von Michael von Troschke:
Die Vernachlässigung von Sequenzmodellen in der traditionellen Harmonielehre, in: Musica
– Scientia et Ars. Ein Festgabe für Peter Förtig zum 60. Geburtstag, hg. von Günther
Metz, Frankfurt a. M. usw.: Peter Lang 1995, S. 29–37. Dies heißt aber nicht zugleich,
daß das Thema grundsätzlich von der Musikwissenschaft gemieden würde; es kommt sowohl
in längeren Abhandlungen wie etwa der Dissertation von Jairo Alberto Moreno Rojas
(Theoretical reception of the sequence and its conceptual implications, phil. Diss. Yale
University 1996) vor wie auch in Einzelfallstudien wie dem in jüngster Zeit erschienene Artikel
Ludwig Holtmeiers (Zur Komplexität Mozarts. Analytischer Versuch über eine Sequenz, in:
Musik & Ästhetik, 4. Jg. [2000], H. 16 [Okt.], S. 5–23).
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Lehrbücher, die sich ausschließlich der Stufentheorie widmen, scheinen dabei gewissermaßen
eine natürliche Affinität zu diesem Kadenztypus aufzuweisen, während funktionelle
Harmonielehren sich ihrerseits vor allem mit der funktionalen Bewertung bestimmter Akkorde
schwertun 5
Diether de la Motte etwa plädiert dafür, einen in der Quintfallsequenz vorkommenden
verminderten Dreiklang inmitten funktioneller Symbole stufentheoretisch zu bezeichnen,
d. h. als VII. bzw. II. Stufe (Harmonielehre: 1600 – 1730 – 1790 – 1810 – 1840 [–] 1860
– 1880 – 1910 – 1930, Kassel usw. / München: Bärenreiter / Deutscher Taschenbuch
Verlag 1976 [= dtv Wissenschaftliche Reihe 4381], S. 113). August Halm benennt explizit:
»Die Nebendreiklänge [. . . ] gewinnen hier [in der Sequenz] an Eigenwert; andererseits
verlieren die Hauptdreiklänge und sinken zu der Bedeutung der anderen Klänge herab [. . . ].«
(Harmonielehre, Berlin u. Leipzig: Walter de Gruyter 1905 [Neudruck 1925] [= Sammlung
Göschen; Bd. 120], S. 67.)
Und Hermann Grabner, ansonsten – wie ja schon der Titel seiner Harmonielehre andeutet
– ein Anhänger der funktionellen Betrachtungsweise und ihrer Symbole zitiert eben diese
Stelle von Halm und fügt hinzu: »Aus diesem Grunde ist hier [d. h. in der Sequenz] die
Verwendung der Stufenzahlen gerechtfertigt.« (Handbuch der funktionellen Harmonielehre.
I. Teil Lehrbuch, Kassel usw.: Bärenreiter 1. Aufl. 1944, 6. Aufl. 1971, S. 93 f.)
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Daß Harmonielehre-Lehrbücher nicht in jedem Fall zum Stichwort Sequenz stets auch die
Unterscheidung von melodischer und harmonischer Erscheinungsform anführen, mag
man im Rahmen einer meist ausschließlichen Beschäftigung mit Akkordfolgen ja noch
hinnehmen; daß bisweilen auch die Unterscheidung von tonalen und realen Formen
zugunsten einer alleinigen Behandlung des ersteren Typs unterschlagen wird, ist schon
bedenklicher, höchstens mit dem einführenden, vorläufigen Charakter solcher Schriften,
die gewöhnlich vom Definitionstypus der Ostense reichlichen Gebrauch machen, zu
erklären. (Es wäre dann Aufgabe des mit einem solchen Lehrbuch arbeitenden Lehrers,
hier definierend, differenzierend auszuhelfen und einzugreifen.) Um zu erfahren, daß es
schließlich auch noch mindestens einen dritten, einen Mischtypus – und zwar
sowohl bei der melodischen wie der harmonischen Erscheinungsform – gibt, einen
bei dem |