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Der Verfasser dankt Max Haas, der einen Aufsatz Musik und Sprache – Musik als Sprache
mit einem ähnlich lautenden Untertitel versah (Schweizer Jahrbuch für Musikwissenschaft.
Neue Folge, Bd. 20 [2000], S. 85–142), für seine Bereitschaft, das Wortspiel aufgreifen zu
dürfen: der vorliegende Aufsatz bemüht sich um die Analyse von Tropfen (auf nicht mehr
ganz heißen Steinen).
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Wer in einer Schrift des Titels »Musik und Leben« einen musiktheoretischen Beitrag
unterzubringen wünscht, sollte dies zumindest mit einigen Worten vorab begründen.
Scheint doch das Grau der Theorie dem Grün des musikalischen Lebens entgegensetzt, ja
sogar die Konzentration auf Musik allein, d. h. ohne das in ihr wie auch immer
aufscheinende »wirkliche Leben« mit einzubeziehen, gilt als unzulässig: Wer nur von
Musik alleine etwas versteht – so das Eislersche Verdikt –, verstünde auch von dieser
nichts 2
Jean-Noël von der Weid merkt im Zusammenhang mit dem uvre von Mathias Spahlinger
an: »Le célèbre apophtègme de Hanns Eisler : celui qui ne comprend que la musique ne
comprend rien à la musique, requiert ici un additif : celui qui ne comprend la musique que
politiquement ne comprend rien à la politique.« (La musique du XXe siècle, Paris: Hachette
1977, S. 270.)
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Nun ist für jemanden, der Musiktheorie an einer Universität unterrichtet, an der
sowohl Schulmusiker als auch Musikwissenschaftler ausgebildet werden, eben
dieser Theorieunterricht halt auch Teil des Lebens, seines Lebens, und wenn
dies Unterrichten ernsthaft geschieht, ist es auch nicht nur eine Randepisode,
die es zwar vertraglich abzuleisten gelte, an der aber nicht das Herz – das
wirkliche Leben – hängt, sondern einer der Mittelpunkte seines Denkens in
Musik 3
Zur Beschreibung dessen, was im Musiktheorieunterricht zu geschehen hat, siehe auch Haas,
a. a. O. (s. Anm. 1), S. 89 f.
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Damit wäre eine erste Begründung genannt. Der eigentliche und ausschlaggebende
Grund allerdings besteht darin, daß jener Unterricht in Musiktheorie die mit dem Band
zu Ehrende gemeinsam mit dem Autor jeweils in Parallelveranstaltungen ableistete –
sozusagen ein Stück gemeinsames »Leben« in gutnachbarlicher Beziehung. Dabei konnte
es natürlich nicht ausbleiben, daß man sich darüber absprach, wie der meist leider auf
nur zwei Semester zu verteilende Stoff den einzelnen Teilabschnitten zugeordnet würde,
auf daß wenigstens ein eventuell gewünschter Wechsel vom einen Lehrer zum
anderen problemlos vonstatten ginge. Bei einer solchen Besprechung stellte sich
heraus, daß das Kapitel Sequenzen – insonderheit Quintfallsequenzen |