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In einem 1986 ausgestrahlten Fernsehinterview erläuterte Celibidache die Situation:
Ich hatte die Möglichkeit, Berlin zu verlassen [kurz vor Kriegsende], aber dafür hätte ich meine Kompositionen in Berlin lassen müssen. Da waren ein paar Rumänen, die einen Wagen hatten, die wollten nach dem Westen. Ich sagte, wenn meine Kompositionen nicht mitkämen, würde ich dableiben. So habe ich dann die Russen und die Amerikaner, alle zusammen, in Berlin erlebt.26
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Nach 1945 durfte er, nun kometenhafter Star der Künstlerszene, als erster Rumäne offiziell im besetzten Berlin bleiben und wurde stolzer Träger der Lizenznummer »1«.27
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Das kinderlose Arbeiterehepaar Tobian vermietete ihm über die Berliner Jahre hinweg ein kleines Zimmer, und es bestand eine herzliche Zuneigung von beiden Seiten. Verbürgt scheint sowohl Celibidaches soziales Engagement in Notsituationen, aber auch unbarmherziges Abstrafen fachlicher Inkompetenz in seinem persönlichen Umfeld.28
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Neben der Leitung des OBM betätigte er sich in diesen Jahren ferner als Dirigent von Eisenbahner- und Straßenbahnschaffnerchören, Kontakte, die über die Tobians zustande kamen, arbeitete als Jazzpianist und Klavierbegleiter eines Ausdruckstänzers und veranstaltete Kammerorchesterkonzerte mit Studenten der Berliner Musikhochschule, unter denen er offensichtlich eine Führungsrolle innehatte. Die Sängerin Carla Henius erinnerte sich, dass Celibidache seine Kommilitonen gerne auf unterhaltsame Weise z. B. in Gehörbildung und Harmonielehre zu belehren und zu examinieren vermochte. Übungen auf Zuruf und mittels vom Notenbild abstrahierender klanglicher Vorstellung galten als sein Steckenpferd.29
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[...] Details, aus dem Zusammenhang gerissen, haben sich meiner Erinnerung eingeprägt. Welche Willkür der Selektionsmechanismen! Und doch, im Zweifelsfall, findet sich in diesem mikroskopischen Erinnerungssplitter der ganze Celibidache: seine Beherrschung des Metiers, sein Perfektionismus, seine Intransigenz – seine Nichtbeachtung menschlicher Schwächen, der Konventionen,