- 231 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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III »Ein hochtalentierter junger rumänischer Orchesterdirigent«

Es ist schwierig, trotz der zahlreichen Veröffentlichungen über Celibidache in den vergangenen Jahren und zahlreicher Internetpräsenzen, besonders seit seinem Tod 1996, ein Bild aus den frühen Berliner Jahren zu finden. Das Verfügbare stammt aus der Zeit seiner Arbeit mit dem Philharmonischen Orchester, und man kann sich anhand dieser Dokumente einen schlanken, hochgewachsenen, vielleicht etwas schlaksigen, quirligen jungen Mann von 30 Jahren vorstellen, mit einem offenen, breiten Lachen und dunklen Haaren, die, während der Arbeit künstlerisch zerzaust, aber auf dem Agenturfoto korrekt gestylt ihre Wirkung tun.21

21
Vgl. Umbach, a. a. O. (s. Anm. 8), S. 98 und Weiler, a. a. O. (s. Anm. 7), S. 24 f.
Celibidache entsprach dem gesellschaftlichen Phantasiebild eines attraktiven, südländisch temperamentvollen, künstlerisch unnahbaren Dirigenten. Die Deutsche Allgemeine Zeitung kommentierte zum 19. April 1942:

Der junge Künstler hinterließ einen sympathischen Eindruck und vermochte über eine gewandte und sichere Schlagtechnik hinaus auch als Musiker zu fesseln.22

22
Franz Josef Ewens, Klassische Musizierfreude – Drei Orchesterkonzerte, in: Deutsche Allgemeine Zeitung ca. 20. April 1942, Abdruck in: OBM-Festschrift, S. 19, dort leider ohne Quellenangabe.

1912 in Rumänien geboren, war Celibidache 1936 nach Deutschland gekommen, nachdem er eine musikalische Grundausbildung in der moldawischen Stadt Iassy erhalten, sowie in Bukarest und Paris einige Studienjahre der Mathematik, Philosophie und Musik verbracht hatte. In Berlin wollte er nun im Alter von 24 Jahren Komposition studieren, noch ohne Deutschkenntnisse, aber auf Einladung von Heinz Tiessen, dem er ein Streichquartett zur Begutachtung geschickt hatte. 1938 kam das Fach Dirigieren bei Walter Gmeindl hinzu. Parallel belegte er an der Friedrich-Wilhelm-Universität Musikwissenschaft bei Arnold Schering und Georg Schünemann sowie Philosophie bei Nicolai Hartmann und Eduard Spranger und arbeitete auf eine Dissertation über Josquin des Prés hin. Des Weiteren beeinflussten Buddhismus und Zen-Buddhismus sein Denken und seine Persönlichkeitsentwicklung. Als seinen prägenden »Guru« bezeichnete Celibidache in einem späteren Interview den die Zendisziplin lehrenden Martin Steinke.23

23
Aus dem Programmheft der Münchner Philharmoniker. http://www.gerhard-greiner.de/biodeu.htm [Stand: 23. 6. 2002]. Vgl. Weiler, a. a. O. (s. Anm. 7), S. 11 ff., 17 f.

Rumänien trat am 23. 11. 1940 dem Dreimächtepakt24

24
Kinder/Hilgemann, a. a. O. (s. Anm. 4), S. 197. Der Dreimächtepakt von 1940 zwischen Deutschland, Italien und Japan hatte die Neuordnung Europas und Ostasiens zum Ziel und verpflichtete zur gegenseitigen Hilfeleistung. 1942 traten Ungarn, Rumänien, Slowakei, Dänemark, Finnland, Nanking-China, Bulgarien und Kroatien bei.
bei und galt als verbündetes Land in der Einflusssphäre Deutschlands, so dass der Aufenthalt in Berlin für Celibidache zunächst unproblematisch blieb. Erst im August 1944 sah sich Hitler nach dem sowjetischen Vorstoß, vor dem das rumänische Kabinett kapitulierte
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