- 233 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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der sozialen Rollen [...]. Er duldet keine Nachlässigkeit, nur das Vollkommene genügt seinen Ansprüchen.30
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Nicolaus Sombart, Jugend in Berlin 1933–1943. Ein Bericht, Frankfurt 1986/1991, S. 228.

Der Berufungsvorgang ans Pult der Berliner Philharmoniker 1945 lässt sich bis heute nicht im Detail nachvollziehen. Die unvollständige Quellenlage und Gefahr von Irrtümern werden jedoch deutlich, wenn man bei Weiler liest, Heinz Tiessen, Celibidaches Mentor an der Hochschule, habe ihn zur entscheidenden Teilnahme am Dirigierwettbewerb des Berliner Rundfunksinfonieorchesters überreden müssen, da »der hochbegabte Schüler, der noch nie vor einem großen Orchester gestanden hatte, vermutlich an eine reelle Chance selber nicht glaubte.«31

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Wolfgang Schreiber, Sergiu Celibidache. Nähe zur Musik – Treue zu sich selbst, in: Die Münchner Philharmoniker von der Gründung bis heute, hg. von Regina Schmoll, München 1985; vgl. Weiler, a. a. O. (s. Anm. 7), S. 22.
Es fällt schwer, zu glauben, dass Celibidache nicht selbst gerade in diesem Wettbewerb seine Chance sah. Auch ein Gastdirigat des Berliner Kammerorchesters am 11. 8. 1945 ging seiner Berufung noch voraus.32
32
Umbach, a. a. O. (s. Anm. 8), S. 103.
Zwar hatte er mit dem OBM kein Werk von Brahms oder Strawinsky einstudieren können, aber er war nicht mehr gänzlich unerfahren und ohne Repertoirekenntnis, sondern verfügte über eine phänomenales musikalisches Gedächtnis, indem er von Anbeginn an alles auswendig dirigierte.33
33
Weiler, a. a. O., S. 28.
Somit ist die Aussage Weilers nicht haltbar, Celibidache habe »abgesehen von seinen Konzerten mit den Studenten der Berliner Musikhochschule [. . . ] noch über keinerlei Proben- und Aufführungspraxis« verfügt.34
34
Weiler, a. a. O., S. 28.
Nach einem kometenhaften Aufstieg und internationaler Erfolge zeichnete sich ab 1952 seine Niederlage in Konkurrenz zu Wilhelm Furtwängler und dann vor allem zu Herbert von Karajan ab, die er nie ganz verwinden konnte. Nach 414 Konzerten mit dem Orchester in neun Jahren verließt Celibidache 1954 Berlin.

Belegt sind sieben öffentliche Auftritte des OBM unter Celibidaches Leitung, davon zwei Sinfoniekonzerte, die ein Presseecho fanden. Er war ständiger Dirigent dieser Saison, und nicht »Gast«, wie die Konzertkritik betont. Die Hauptwerke von Mozart, Schubert, Haydn, Beethoven, Grieg, Bruch und Strauß, die Celibidache von Herbst 1941 bis Dezember 1942 mit dem OBM einstudierte, entsprachen dem typischen klassisch-frühromantischen Repertoire, das auch die Laienorchesterarbeit in den 40 Jahren nach Kriegsende flächendeckend bestimmen wird.35

35
Zu Häufigkeit und Schwierigkeitsgraden s. Kayser-Kadereit, a. a. O. (s. Anm. 18), S. 66 f., 56 f., 78, 57 f. u. 63.
Allein am Rumänischen Divertimento von Sabin V. Dragoi mit den Sätzen »Colinda (Weihnachtslied), Dans (Tanz) und Cântec de Nuntâ (Hochzeitslied)« im Programm vom 23. 10. 1942 erkennt man sein Bestreben, etwas Unbekanntes, aber Publikumswirksames einzubringen. Möglicherweise wollte
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