- 190 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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ganz zu schweigen – für eine blinde Frau bedeutet hat, ist heute kaum mehr nachfühlbar. Eine dieser Reisen, über die wir dank der Forschungen von Hermann Ullrich detailliert Bescheid wissen21
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Hermann Ullrich, Maria Theresia Paradis’ große Kunstreise, in: Österreichische Musikzeitschrift, 15. Jg. (1960), S. 470–480; Fortsetzungen ebenda, 17. Jg. (1962), S. 11–26, 18 Jg. (1963), S. 475–483; 19. Jg. (1964), S. 430–435, 20 Jg. (1965), S. 589–597; Beiträge zur Musikwissenschaft, 6. Jg. (1964), S. 129–142; Maria Theresia Paradis in London, in: Music and Letters, 43 Jg. (1962), S. 16–24; Maria Theresia Paradiszweite Reise nach Prag 1797, in: Die Musikforschung, 19. Jg. (1966), S. 152–163.
, dauerte drei Jahre. Für die geplanten Konzerte in Paris schrieb ihr Mozart ein Klavierkonzert, wahrscheinlich war es Nr. 18 in B-Dur KV 456.22
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Eva Badura-Skoda, Die Entstehung des Klavierkonzertes in B-Dur KV 456, in: Mozart-Jahrbuch, 13. Jg. (1964), S. 193–197.

Eine der ersten Reisestationen von Maria Theresia Paradis war Salzburg. Mozart, der sich zu Besuch dort aufhielt, machte die Musikerin mit Vater und Schwester bekannt. Diesem Treffen im Jahr 1783, das Maria Anna Mozart in ihrem Tagebuch kurz erwähnt, wird gewöhnlich wenig Bedeutung beigemessen. Wenn wir uns aber klarmachen, dass hier sozusagen zwei Pionierinnen der Frauen-Musikgeschichte zusammengekommen sind, zwei Musikerinnen, die die späteren Leistungen einer Kathinka von Dietz, Marie Pleyel, Robena Laidlaw oder Clara Wieck historisch vorbereitet haben, wüssten wir doch gern mehr: Was waren die Gesprächsthemen dieser Frauen? Ob sie sich auch über ihre Situation als Frauen in der Männerdomäne Musik verständigt haben? Und welche Gefühle haben wohl Maria Anna Mozart bewegt? Immerhin war sie inzwischen 32 Jahre alt, die glänzenden Auftritte als Wunderkind lagen weit zurück, und nun stand hier eine 24-jährige Pianistin, die bereits Kompositionen veröffentlicht hatte und nicht mehr danach fragte, ob ein strenger Vater sie wohl auf eine Konzertreise mitnehmen würde. Aber wie auch immer Maria Anna auf die jüngere Kollegin reagiert hat: Ein Jahr später war sie verheiratet, und die Sorge für fünf Stiefkinder hat mit Sicherheit ihre künstlerische Resignation besiegelt.

Wenn wir uns alle bisher genannten Musikerinnen um Mozart noch einmal vor Augen führen, fällt auf, dass sie alle Pianistinnen oder Sängerinnen waren. Damit entsprachen sie, zumindest was die Wahl des Faches anging, dem, was in den Augen der bürgerlichen Gesellschaft schicklich war. Außer dem Klavier wären noch die Gitarre, die Harfe und die Glasharmonika in Frage gekommen. Alle anderen Instrumente galten in Abstufungen als »unschicklich«. Über viele Jahrzehnte vollkommen tabuisiert waren zum Beispiel Kontrabass, Violoncello, Pauken, Trommeln und sämtliche Blechblasinstrumente. Aber auch Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und die Geige galten als unweiblich und wurden deshalb von einer Frau, die Wert auf gesellschaftliche Anerkennung legte, gemieden. Die Gründe dafür23

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Ausführlich in Freia Hoffmann, a. a. O. (s. Anm. 17).
waren vielfältiger Art. Zum wenigsten spielten dabei musikalische Gesichtspunkte eine Rolle, obwohl ein Theoretiker 1783 Instrumente ausschließen wollte, deren Natur »mit dem anerkannten Charakter der weiblichen
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