Quelle aus
dieser Zeit sind Mozarts Briefe an sie, und daraus kann man nicht mehr und
nicht weniger schließen, als dass er sie sehr geliebt und geachtet hat. Seine
vergnügten Bemerkungen über das gemeinsame Liebesleben und Constanzes
»liebens-küssenswürdiges Ärschgen« (19. Mai 1789) sollten keine Einladung an
Biografen sein, sich zweihundert Jahre später in das Intimleben dieser Menschen
einzumischen.
Vor allem besitzen wir von Constanze selbst aus diesen Jahren fast keine schriftlichen
Zeugnisse – und eben dies macht sie im Grunde zu einer unbekannten Person, die von
Biografen nach Belieben funktionalisiert werden kann. Bezeichnend ist wiederum, dass
eines auf dieser Projektionsfläche keinen Platz zu haben scheint: Auch Constanze Mozart
war Musikerin, d. h. sie war mit Sicherheit nicht das willfährige und dumme
Weibchen, das wohlwollendere Mozart-Biografen in ihr sehen wollen. Ebenso wie
ihre Schwestern Aloysia und Josepha erhielt Constanze in der Mannheimer
Musikerfamilie Weber eine Ausbildung in Klavier und Gesang, was sie immerhin
befähigte, 1783 eine Sopranpartie in der Großen Messe c-Moll zu übernehmen
und nach Mozarts Tod mit der Oper Titus auf Tournee zu gehen, wobei sie
neben ihrer berühmten Schwester Aloysia Lange als Sängerin auftrat. Nur eine
professionell ausgebildete und sachverständige Musikerin konnte das leisten,
was Constanze nach Mozarts Tod für den Erhalt und die Verbreitung seiner
Kompositionen getan hat: Organisation von Aufführungen, Verhandlungen mit
Musik-Verlagen, Vorbereitung von Editionen, Ordnung des Nachlasses, Vorbereitung und
Fertigstellung einer ersten Mozart-Biografie. Aus einem Bericht des Ehepaares
Novello geht hervor, dass Constanze Mozart einen ausgeprägten analytischen
Musikverstand besaß und eine gute Kennerin des Mozartschen Gesamtwerks
war.14
Zit. bei Landon, Mozarts letztes Jahr, a. a. O. (s. Anm. 11), S. 237.
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Mozart muss also in ihr eine kompetente Gesprächspartnerin gehabt haben, deren
musikalischer Geschmack für die damalige Zeit ungewöhnlich war. In einer
Zeit, als der polyfone Stil als veraltet und überholt galt, als Johann Sebastian
Bach und die Musik seiner Zeit nur wenigen Kennern bekannt waren, regte
Constanze Mozart ihren Mann an, Fugen zu schreiben. Was wird aus dieser
bemerkenswerten Tatsache bei Wolfgang Hildesheimer? »So verliebte sie sich in eben
jene Bachschen Fugen, die ihr Mann aus dem Haus van Swieten heimbrachte, plötzlich
wollte sie nur noch Fugen hören, fand sie das ,Künstlichste und Schönste‘ in der
Musik, ja, sie wurde süchtig danach, wie eine Schwangere nach bestimmter
Nahrung«.
15
Hildesheimer, a. a. O. (s. Anm. 7), S. 256.
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Für den zweiten Teil meines Textes möchte ich einen Schwerpunktwechsel vornehmen.
Das Thema »Musikerinnen um Mozart« legt es zwar nahe, zweierlei Wahrnehmung
einander gegenüberzustellen, den traditionellen Blick zu konfrontieren mit den
Perspektiven der Frauen- und Geschlechterforschung. Angesichts der Fülle von
Zerrbildern, die die Mozart-Darstellungen bevölkern, ist es sicherlich immer wieder
wichtig, solche Wahrnehmungen zurückzuweisen.