- 185 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Quelle aus dieser Zeit sind Mozarts Briefe an sie, und daraus kann man nicht mehr und nicht weniger schließen, als dass er sie sehr geliebt und geachtet hat. Seine vergnügten Bemerkungen über das gemeinsame Liebesleben und Constanzes »liebens-küssenswürdiges Ärschgen« (19. Mai 1789) sollten keine Einladung an Biografen sein, sich zweihundert Jahre später in das Intimleben dieser Menschen einzumischen.

Vor allem besitzen wir von Constanze selbst aus diesen Jahren fast keine schriftlichen Zeugnisse – und eben dies macht sie im Grunde zu einer unbekannten Person, die von Biografen nach Belieben funktionalisiert werden kann. Bezeichnend ist wiederum, dass eines auf dieser Projektionsfläche keinen Platz zu haben scheint: Auch Constanze Mozart war Musikerin, d. h. sie war mit Sicherheit nicht das willfährige und dumme Weibchen, das wohlwollendere Mozart-Biografen in ihr sehen wollen. Ebenso wie ihre Schwestern Aloysia und Josepha erhielt Constanze in der Mannheimer Musikerfamilie Weber eine Ausbildung in Klavier und Gesang, was sie immerhin befähigte, 1783 eine Sopranpartie in der Großen Messe c-Moll zu übernehmen und nach Mozarts Tod mit der Oper Titus auf Tournee zu gehen, wobei sie neben ihrer berühmten Schwester Aloysia Lange als Sängerin auftrat. Nur eine professionell ausgebildete und sachverständige Musikerin konnte das leisten, was Constanze nach Mozarts Tod für den Erhalt und die Verbreitung seiner Kompositionen getan hat: Organisation von Aufführungen, Verhandlungen mit Musik-Verlagen, Vorbereitung von Editionen, Ordnung des Nachlasses, Vorbereitung und Fertigstellung einer ersten Mozart-Biografie. Aus einem Bericht des Ehepaares Novello geht hervor, dass Constanze Mozart einen ausgeprägten analytischen Musikverstand besaß und eine gute Kennerin des Mozartschen Gesamtwerks war.14

14
Zit. bei Landon, Mozarts letztes Jahr, a. a. O. (s. Anm. 11), S. 237.
Mozart muss also in ihr eine kompetente Gesprächspartnerin gehabt haben, deren musikalischer Geschmack für die damalige Zeit ungewöhnlich war. In einer Zeit, als der polyfone Stil als veraltet und überholt galt, als Johann Sebastian Bach und die Musik seiner Zeit nur wenigen Kennern bekannt waren, regte Constanze Mozart ihren Mann an, Fugen zu schreiben. Was wird aus dieser bemerkenswerten Tatsache bei Wolfgang Hildesheimer? »So verliebte sie sich in eben jene Bachschen Fugen, die ihr Mann aus dem Haus van Swieten heimbrachte, plötzlich wollte sie nur noch Fugen hören, fand sie das ,Künstlichste und Schönste‘ in der Musik, ja, sie wurde süchtig danach, wie eine Schwangere nach bestimmter Nahrung«.15
15
Hildesheimer, a. a. O. (s. Anm. 7), S. 256.

Für den zweiten Teil meines Textes möchte ich einen Schwerpunktwechsel vornehmen. Das Thema »Musikerinnen um Mozart« legt es zwar nahe, zweierlei Wahrnehmung einander gegenüberzustellen, den traditionellen Blick zu konfrontieren mit den Perspektiven der Frauen- und Geschlechterforschung. Angesichts der Fülle von Zerrbildern, die die Mozart-Darstellungen bevölkern, ist es sicherlich immer wieder wichtig, solche Wahrnehmungen zurückzuweisen.


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