schwache, passive und subalterne Natur der
Frau gelten: Musikerinnen, die eine fundierte professionelle Ausbildung genossen hatten,
die ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit tagtäglich unter Beweis
stellten, die viel Geld verdienten und sich mit großer Selbstverständlichkeit in der
Öffentlichkeit bewegten. Viele der Sängerinnen, für die Mozart komponierte, sind
namentlich bekannt: Caterina Cavalieri war die erste Mademoiselle Silberklang im
Schauspieldirektor und die erste Konstanze in der
Entführung aus dem Serail.
Teresa Saporiti, Sopranistin in Prag, kreierte im
Don Giovanni die Donna Anna.
Bei der Wiener Erstaufführung des
Don Giovanni sang Mozarts Schwägerin
Aloysia Weber diese Partie. Ihre Schwester Josepha Weber-Hofer, ebenfalls
Koloratursopranistin, war die erste Königin der Nacht; später sang sie im
Don Giovanni
die Elvira und im
Figaro die Gräfin. Für Nancy Storace komponierte Mozart die
Konzertarie
Ch’io mi scordi di te KV 505, und sie war die erste Susanna im
Figaro.
Von den respektlosen und oft herabsetzenden Formulierungen, mit denen diese
Musikerinnen in der Mozartbiografik bedacht werden, möchte ich nur ein Beispiel
vorstellen: Wolfgang Hildesheimers Bemerkung über Anna (Nannina) Gottlieb. In der
Uraufführung des Figaro 1786 an der Wiener Hofoper, in einer nach Aussagen von
Zeitgenossen erstklassigen Besetzung, sang sie, damals zwölf Jahre alt, die Rolle der
Barbarina. Wolfgang Hildesheimer, dessen Mozart-Biografie als Durchbruch zum
modernen Mozart-Bild gerühmt wird, schreibt über sie:
Ihre zauberhafte kleine f-Moll-Cavatine [...] handelt zwar von einer
verlorenen Schmucknadel, könnte aber ebensogut von ihrer allzu früh
verlorenen Unschuld handeln. Man fragt sich, was sich wohl ihre
erste Sängerin, die zwölfjährige Nannina Gottlieb, dabei gedacht habe.
Wer weiß, vielleicht war auch sie ein kleines Luder. Später trat sie
der Schikanederschen Truppe bei, was nicht bedeuten muß, daß die
Rolle der Pamina, deren erste Verkörperung sie war, sie geläutert
hätte.7
Wolfgang Hildesheimer, Mozart, Frankfurt a. M. 1980, S. 196.
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So entstehen Geschichtsbilder: Auf dürftigen Informationen wuchert umso
blühender die Fantasie. Wir wissen immerhin von Anna Gottlieb, dass sie
nach ihrem Engagement im Schikanederschen Ensemble noch 37 Jahre als
Sängerin und Schauspielerin im Leopoldstädter Theater gearbeitet hat
und schließlich auf die stattliche Zahl von 44 Berufsjahren zurückblicken
konnte.8
Ursula Mauthe, Mozarts »Pamina« Anna Gottlieb, Augsburg 1986.
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Aber für diese Lebensleistung hat sich Hildesheimer ebenso wenig interessiert wie für das
professionelle Können von Barbara Gerl, der ersten Sängerin der Papagena. Von der
Entstehung der
Zauberflöte wissen wir vergleichsweise wenig, um so ungenierter lassen
sich solche Leerstellen mit Anekdoten füllen:
Schikaneder soll Mozart mehr als eine Woche lang, natürlich unter Lieferung
genügend leiblicher Erfrischung, zu denen, der lockeren Legende nach, auch
noch zeitweilig Barbara Gerl [...] gehört