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das Musiklexikon von Gustav Schilling4
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Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften, oder Universal-Lexicon der Tonkunst, hg. von Gustav Schilling, 7 Bde., Stuttgart 2. Aufl. 1840–1842, Art. Pokorny, Gotthard.
, hätten dies verhindert. Stattdessen taucht Magdalena Pokorny, nun unter dem Namen Hofdemel, 1789 in der Mozartbiografie als Schülerin auf. Sie war inzwischen 23 Jahre alt, verheiratet, und wurde ein Jahr später Mutter einer Tochter. Dass sie, obwohl bereits konzertierende Pianistin, ihre Ausbildung bei Mozart fortsetzte, ist ein Indiz für weiterreichende Pläne, ebenso die naheliegende Vermutung, dass Magdalena Hofdemel nach Wegen suchte, sich ökonomisch von ihrem gewalttätigen Ehemann unabhängig zu machen. Der 6. Dezember 1791 muss diese Pläne endgültig zunichte gemacht haben. Magdalena hatte ihren Lehrer verloren, sie war schwer verletzt, für den Rest ihres Lebens äußerlich gezeichnet und überdies durch Sensationsberichte der Zeitungen5
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Z. B. Grätzer Zeitung vom 13. und 27. Dezember 1791 sowie vom 9. und 10. Februar 1792; Grätzer Bürgerzeitung vom 6. Januar und 10. Februar 1792; (Wiener) Zeitung für Damen und andere Frauenzimmer, Nr. 2, 1792, S. 37.
gestempelt. Noch vor der Geburt ihres zweiten Kindes zog sie sich nach Brünn zurück, wo sich ihre Spur verliert6
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Die Geschehnisse um den 10. Dezember 1791 sind recherchiert worden von Otto Jahn (Mozart-Paralipomenon, in: Gesammelte Aufsätze über Musik, Leipzig 1866, S. 230–235) und F. Bischoff (Zur Geschichte der Frau Magdalena Hofdemel, in: Mitteilungen der Mozart-Gemeinde Berlin, Heft 10 [1900]). Otto Jahn gibt ein Gespräch mit Karl Czerny wieder, aus dem hervorgeht, dass Magdalena Hofdemel in späteren Jahren gelegentlich Wien besucht und dabei bei Czernys Eltern gewohnt habe. Magdalena Hofdemel habe den »dringenden Wunsch geäußert, Beethoven zu hören«, dieser habe aber im Hinblick auf die »Geschichte mit Mozart« erklärt, »vor dieser Frau werde er nicht spielen; auch sei es erst später durch vieles Zureden gelungen, ihn dazu zu bringen, daß die Frau ihn besuchen durfte, wo er dann auch phantasirt habe.« (Jahn, a. a. O., S. 231 f.).
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An Magdalena Hofdemels Beispiel wird verständlich, warum dieser Text nicht überschrieben ist mit »Mozart und die Frauen« und auch nicht »Frauen um Mozart«, sondern »Musikerinnen um Mozart«. Der Perspektivenwechsel besteht darin, Frauen nicht mehr nur unter Beziehungsaspekten wahrzunehmen, sie nicht nur in Liebesgeschichten, Eifersuchtsdramen und familiären Konstellationen anzusiedeln, sondern ihnen einen eigenständigen Bezugsrahmen zuzugestehen, eine autonome Biografie und in dem Radius, den die Zeitumstände ihnen eröffneten, auch professionelle Entfaltungsmöglichkeiten. Die letzteren waren übrigens, um dies vorwegzunehmen, entschieden vielfältiger, als es uns die familienselige Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts glauben machen möchte.

Mein Thema lässt sich streckenweise nicht lösen vom Thema Mozartbiografik. Denn eben daher rühren die Bilder der Frauen um Mozart, die den Blick auf die Musikerinnen verstellen. Ein anderes Beispiel, an dem wir einen Perspektivenwechsel vornehmen müssen, sind die Sängerinnen. Die Gesangspartien, die Mozart in Opern, in kirchenmusikalischen Werken und Einzelarien geschrieben hat, sind in ihren technischen und musikalischen Anforderungen ein Gradmesser für die sängerische Leistungsfähigkeit der Bühnen Wiens, Münchens und Prags. Die Primadonnen konnten schon damals als leibhaftiger Widerspruch gegen die angeblich


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