- 18 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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und andererseits das widersprüchliche Eindringen von Studentinnen in diese Welt in vielschichtiger und kluger Weise beleuchten.

Die genannten Bausteine zu einer Geschichte der populären Musik innerhalb der Studienreihe Musik sind glücklicherweise nicht isolierte Bausteine geblieben – so willkommen sie in dieser Funktion für den Gebrauch in Schule und Studium sind. In einer Publikationspause, die die Studienreihe zwischen 1984 und 1987 eingelegt hat, ist offenbar Raum gewesen für die Darstellung der weitergespannten Zusammenhänge und für eine Vertiefung der theoretischen Grundlegung. Ich will aber gerade vom Leben singen. Über populäre Musik vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende der Weimarer Republik erschien 1987 im Rowohlt Verlag als Teil der Reihe Geschichte der Musik in Deutschland 43

43
Siehe Anm. 9.
. In der 50-seitigen Einleitung begegnen frühere Ansätze in ausgeführter Form wieder, mit bemerkenswerten Modifikationen. Zum Beispiel wenn die Autorin – bei aller Würdigung von Herrschaftsbedingungen und Klassenverhältnissen – für die Entwicklung der populären Musik auch Eigengesetzlichkeiten in Anspruch nimmt und schreibt, »der Funktionswandel zur Ware« erfasse »die unterhaltende Musik nicht in jedem Fall in ihrer Gesamtheit«44
44
S. 11.
, oder wenn sie für die populäre Musik das soziale Kriterium des In-Gebrauch-Nehmens, der Bindung an außermusikalische Zwecke zurücksetzt hinter die Entfaltung typischer Formen und Strukturen, ihr sozusagen die musikalische Würde wiedererstattet45
45
S. 13 f.
.

Hier wie auch bei den Arbeiten zur Genderforschung wird deutlich, dass Sabine Giesbrecht zur Darstellung ihrer Forschungsergebnisse keinen Gegner braucht. Die in vielen Publikationen verbreitete Technik, die eigene Position zu schärfen und zu akzentuieren, indem man sich – gerne einleitend – einen Gegner oder eine wissenschaftliche Methode oder Praxis herausgreift, um sich selbst in Absetzung von den Versäumnissen oder Irrtümern anderer umso leichter zu profilieren, wird man in Sabine Giesbrechts Schriften vergebens suchen. In ihrer Geschichte der populären Musik wäre es ein Leichtes gewesen, zu einem solchen Gegner Heinrich Besseler aufzubauen46

46
S. 12 ff.
, der die Gebrauchsmusik als historisch nicht gebundenes Phänomen ableitet aus den sozialen Bedürfnissen unterschiedlicher Gemeinschaften im Vollzug ihres alltäglichen Lebens und sie absetzt von der Kunstmusik als aus dem Alltag herausgehobener Darbietungskultur. Sabine Giesbrecht stellt Besselers Begriffs- und Wahrnehmungssystem im einschlägigen Kapitel ausführlich und durchaus wohlwollend dar, um anschließend in einer brillanten Begriffsklärung zu präzisieren, dass die Trennung zwischen autonomer und sogenannter Gebrauchskunst erst mit dem Ende des 18. Jahrhunderts wesentlich wird, weil erst dort Autonomie-Anspruch und Fortschrittsästhetik zur Abspaltung der für die populäre Musik wesentlichen Funktionen der Unterhaltung und alltäglichen In-Gebrauch-Nahme geführt haben.


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