und
andererseits das widersprüchliche Eindringen von Studentinnen in diese Welt in
vielschichtiger und kluger Weise beleuchten.
Die genannten Bausteine zu einer Geschichte der populären Musik innerhalb der
Studienreihe Musik sind glücklicherweise nicht isolierte Bausteine geblieben
– so willkommen sie in dieser Funktion für den Gebrauch in Schule und
Studium sind. In einer Publikationspause, die die Studienreihe zwischen 1984
und 1987 eingelegt hat, ist offenbar Raum gewesen für die Darstellung der
weitergespannten Zusammenhänge und für eine Vertiefung der theoretischen
Grundlegung. Ich will aber gerade vom Leben singen. Über populäre Musik vom
ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende der Weimarer Republik erschien 1987
im Rowohlt Verlag als Teil der Reihe Geschichte der Musik in Deutschland
43 . In
der 50-seitigen Einleitung begegnen frühere Ansätze in ausgeführter Form wieder, mit
bemerkenswerten Modifikationen. Zum Beispiel wenn die Autorin – bei aller Würdigung
von Herrschaftsbedingungen und Klassenverhältnissen – für die Entwicklung der
populären Musik auch Eigengesetzlichkeiten in Anspruch nimmt und schreibt, »der
Funktionswandel zur Ware« erfasse »die unterhaltende Musik nicht in jedem Fall in ihrer
Gesamtheit« 44 ,
oder wenn sie für die populäre Musik das soziale Kriterium des In-Gebrauch-Nehmens,
der Bindung an außermusikalische Zwecke zurücksetzt hinter die Entfaltung
typischer Formen und Strukturen, ihr sozusagen die musikalische Würde
wiedererstattet 45 .
Hier wie auch bei den Arbeiten zur Genderforschung wird deutlich, dass Sabine
Giesbrecht zur Darstellung ihrer Forschungsergebnisse keinen Gegner braucht. Die in
vielen Publikationen verbreitete Technik, die eigene Position zu schärfen und
zu akzentuieren, indem man sich – gerne einleitend – einen Gegner oder eine
wissenschaftliche Methode oder Praxis herausgreift, um sich selbst in Absetzung von den
Versäumnissen oder Irrtümern anderer umso leichter zu profilieren, wird man in
Sabine Giesbrechts Schriften vergebens suchen. In ihrer Geschichte der populären
Musik wäre es ein Leichtes gewesen, zu einem solchen Gegner Heinrich Besseler
aufzubauen46 ,
der die Gebrauchsmusik als historisch nicht gebundenes Phänomen ableitet aus
den sozialen Bedürfnissen unterschiedlicher Gemeinschaften im Vollzug ihres
alltäglichen Lebens und sie absetzt von der Kunstmusik als aus dem Alltag
herausgehobener Darbietungskultur. Sabine Giesbrecht stellt Besselers Begriffs- und
Wahrnehmungssystem im einschlägigen Kapitel ausführlich und durchaus wohlwollend
dar, um anschließend in einer brillanten Begriffsklärung zu präzisieren, dass die
Trennung zwischen autonomer und sogenannter Gebrauchskunst erst mit dem Ende
des 18. Jahrhunderts wesentlich wird, weil erst dort Autonomie-Anspruch und
Fortschrittsästhetik zur Abspaltung der für die populäre Musik wesentlichen
Funktionen der Unterhaltung und alltäglichen In-Gebrauch-Nahme geführt
haben.
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