- 169 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Die zwei Bänder als Verlängerung des Gürtels, die zwei parallele Streifen im unteren Teil des Kleids, die zwei Schatten der beiden Bäume sowie die beiden Linien des Hangs im Vorder- und der Hügel im Hintergrund bilden eine lebhaft bewegte Diagonale von links unten nach rechts oben, die den Schwung des Bildes noch verstärkt.

Ebenfalls 1906 wird eine kommerzielle Privatmythologie gebildet. (Abb. 16) Ein etwas älteres Mädchen, dafür extrem »niedlich«, mit Libellenflügeln, in grün und komplementärem rosa/rot steht für eine neue Nymphchen-Marke, nämlich die »Pfingstfee«. Diese Karte erhält neben den üblichen Wünschen »Ein fröhliches Pfingstfest.« auch noch ein regelrechtes Gedicht, das die auralen Genüsse, welche das Bild notwendig verweigern muß, wenigstens verbal beschwört und ausdrücklich eben das »Ohr« anspricht:

Aus blütenverworrenen Hecken
Tritt fröhlich die Pfingstfee hervor,
Mit lieblichen Pfingstfestgrüßen
Umschmeichelt sie leise Dein Ohr.

Fest-Symbole mischt eine Pfingstkarte von 1898 (Abb. 22): in der unteren Hälfte ist der Umriß eines vierblättrigen Klees eingezeichnet, der viel weiße Fläche für die je individuelle Botschaft läßt. Darüber tanzen – der an der Seite liegende bunte Ball deutet darauf hin – 4 noch jüngere Mädchen als in Abb. 15 einen Reigen in eher bieder-mäßigem Tempo. Es handelt sich um gemäßigten Jugendstil mit präraffaelitischen Elementen.

Eine ebenfalls Pfingsten gewidmete Chromolithographie mit Glasflitterauflage von 1900 (Abb. 25) zeigt einen noch über das Bild hinausgreifenden Reigentanz (die Figuren sind mehrheitlich angeschnitten) nun sehr jugendstiliger (mit Einschlägen Rosettis) junger Damen. Sie haben meist etwas liebliche Gesichter; aber sehr angenehm ist es, daß das blöde »Cheese«-Dauergrinsen heutiger medialer Menschenbilder noch fehlt.

Neujahrsglückwünsche 1904 (Abb. 58): einen geradezu ekstatischen – unvollständigen – Ringelreihen tanzen zwei Clowns mit einem Schwein in der Mitte, das sie jeweils an einer Vorderpfote halten. Welcher Tanz genau gemeint ist, kann ich nicht entschlüsseln. Sicher ist, daß es sich jeweils um eine Bewegung von etwa 180 Grad in die eine Richtung und dann umgekehrt in die andere handelt – Hand- wie Körperstellung der beiden Clowns deuten darauf hin. Zusätzlich zum Tanz kommt auch der Ton: die beiden Clowns mit grellrot geschminktem Mund kreischen offensichtlich, sekundiert vom Schwein, das ebenfalls das Maul zur Lautung öffnet – gegebenenfalls die beiden Texte auf der Karte, nämlich »Viel Glück« und »Prosit Neujahr!«


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