- 168 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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offensichtlich, mit der Hand als Schallverstärkung am Mund, etwas zu. Da es ein Bild ist, wird die kommunikative Situation rezeptiv so interpretiert, daß den Betrachtern bzw. Benutzern etwas zugerufen wird, eben »Fröhliche Pfingsten!«

Bei einem Geburtstagsglückwunsch, um 1905, ist freigelassen zum Ausfüllen, wem konkret der Wunsch gilt (Abb. 35). Es heißt: »Meinem lieben: . . . . . . . . . . . . / zum heutigen Wiegen-Feste/ ein dreifach donnerndes ,HOCH!«‘ – Die Karte schreit also schon textlich-typographisch. Das Bild verstärkt das nochmals. Ein Herr in den besten Jahren, mit bereits sich lichtender Stirn, dafür aber »Es-ist-erreicht«-Schnurrbart, Fliege und weichem Jackett, reißt beide Arme hoch, mit einer Geste, als wolle er einen unsichtbaren Gästechor dirigieren, in der rechten Hand das Weinglas, mit dem er zugleich aus dem Bild heraus dem Jubilar zuprostet. Das Ad-spectatores, der Adressatenbezug ist also gleich mitinszeniert. Das »donnernde Hoch« brüllt er dabei dermaßen laut, daß die Augen sich schweinsäugleingleich verkleinern, und die Mundstellung eher einem ,Haach‘ entspricht. Er erinnert an einen der berüchtigten Humoristen und generell an jenen wilhelminischen Spießer-Typus, den nicht nur Heinrich Mann oder Tucholsky/Eisler erbittert aufs Korn nahmen.

Tanz, Ton, Geschlechterverhältnisse

Ein farbiger Buchdruck von 1919 mit Ostergrüßen (Abb. 13) zeigt eine Dame, tänzerisch beschwingt. Sie betrachtet ein Ei: ein Modell ist Venus vor dem Spiegel, aber in Bewegung versetzt. Den Charakter der Chinoiserie verstärken pagodenartiger Hut und leichter Schirm mit zwei weitwehenden Bändern als ausbalancierender Kontrapost zur Diagonalbewegung von links nach rechts. Die kontrastierende Ableitung zum kleinen Ei samt Dame, vorwiegend in Schwarz-Weiß und zarten Mauve-Tönen gehalten, bildet ein riesiges ziegelrotes Ei, das die lebhafte Bewegung zugleich einbindet und nach der Höhe hin öffnet.

Pfingstgrüße von 1921, ebenfalls von einer Künstlerin signiert, farbiger Buchdruck und schon aus der Nachkriegszeit (Abb. 14) zitieren statt Chinoiserie oder Japonismus eine Art Neo-Rokoko ähnlich wie Rosenkavalier-Figurinen. Eine junge Dame tanzt geradezu mit ihrem (zugeklappten) Schirm, pflückt dabei rosarote Blüten botanisch unklarer Provenienz, und tut das – man muß es so sagen: kosend. Der leicht geöffnete Mund deutet darauf hin, daß sie es überdies singend tut.

Zu Pfingsten 1906 (Abb. 15) war es ein Kind – ein Mädchen, versteht sich, allerdings mit etwas ältlichen Zügen. Es tanzt in langem weißem Kleid mit rosa Applikaturen samt flatternden Bändern und schwingt zwei bogenförmig zueinandergeneigte blühende Zweigen, denen die Bäume im Hintergrund entsprechen. Kirschblüten wären poetischer, aber die Farbe Rosa verweist auf Apfelblüten.


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