offensichtlich, mit der Hand als Schallverstärkung am Mund, etwas zu.
Da es ein Bild ist, wird die kommunikative Situation rezeptiv so interpretiert,
daß den Betrachtern bzw. Benutzern etwas zugerufen wird, eben »Fröhliche
Pfingsten!«
Bei einem Geburtstagsglückwunsch, um 1905, ist freigelassen zum Ausfüllen, wem
konkret der Wunsch gilt (Abb. 35). Es heißt: »Meinem lieben: . . . . . . . . . . . . /
zum heutigen Wiegen-Feste/ ein dreifach donnerndes ,HOCH!«‘ – Die Karte
schreit also schon textlich-typographisch. Das Bild verstärkt das nochmals.
Ein Herr in den besten Jahren, mit bereits sich lichtender Stirn, dafür aber
»Es-ist-erreicht«-Schnurrbart, Fliege und weichem Jackett, reißt beide Arme hoch, mit
einer Geste, als wolle er einen unsichtbaren Gästechor dirigieren, in der rechten Hand
das Weinglas, mit dem er zugleich aus dem Bild heraus dem Jubilar zuprostet. Das
Ad-spectatores, der Adressatenbezug ist also gleich mitinszeniert. Das »donnernde
Hoch« brüllt er dabei dermaßen laut, daß die Augen sich schweinsäugleingleich
verkleinern, und die Mundstellung eher einem ,Haach‘ entspricht. Er erinnert
an einen der berüchtigten Humoristen und generell an jenen wilhelminischen
Spießer-Typus, den nicht nur Heinrich Mann oder Tucholsky/Eisler erbittert aufs Korn
nahmen.
Tanz, Ton, Geschlechterverhältnisse
Ein farbiger Buchdruck von 1919 mit Ostergrüßen (Abb. 13) zeigt eine Dame, tänzerisch
beschwingt. Sie betrachtet ein Ei: ein Modell ist Venus vor dem Spiegel, aber in
Bewegung versetzt. Den Charakter der Chinoiserie verstärken pagodenartiger Hut und
leichter Schirm mit zwei weitwehenden Bändern als ausbalancierender Kontrapost zur
Diagonalbewegung von links nach rechts. Die kontrastierende Ableitung zum kleinen Ei
samt Dame, vorwiegend in Schwarz-Weiß und zarten Mauve-Tönen gehalten, bildet ein
riesiges ziegelrotes Ei, das die lebhafte Bewegung zugleich einbindet und nach der Höhe
hin öffnet.
Pfingstgrüße von 1921, ebenfalls von einer Künstlerin signiert, farbiger Buchdruck
und schon aus der Nachkriegszeit (Abb. 14) zitieren statt Chinoiserie oder
Japonismus eine Art Neo-Rokoko ähnlich wie Rosenkavalier-Figurinen. Eine junge
Dame tanzt geradezu mit ihrem (zugeklappten) Schirm, pflückt dabei rosarote
Blüten botanisch unklarer Provenienz, und tut das – man muß es so sagen:
kosend. Der leicht geöffnete Mund deutet darauf hin, daß sie es überdies singend
tut.
Zu Pfingsten 1906 (Abb. 15) war es ein Kind – ein Mädchen, versteht sich,
allerdings mit etwas ältlichen Zügen. Es tanzt in langem weißem Kleid mit
rosa Applikaturen samt flatternden Bändern und schwingt zwei bogenförmig
zueinandergeneigte blühende Zweigen, denen die Bäume im Hintergrund entsprechen.
Kirschblüten wären poetischer, aber die Farbe Rosa verweist auf Apfelblüten.