Ast
spielen ausgerechnet zwei Maikäfer Pauke und Trompete. Auf einer Steinbank
unter der Birke zupft ein Junge die Laute. Seine Kleidung erscheint einerseits
als längst passé: Kniebundhose, Seidenstrümpfe und Schnallenschuhe, kurze
schleifenartige Krawatte, dazu ein breiter schalartiger Gürtel. Abgesehen von der
barettähnlichen Kopfbedeckung paßt das zum Spanischen Habit und Kolorit. Die Karte
mischt also Historizismus und Exotismus. Andrerseits verweisen Instrument und
Aufmachung fast auf Künftiges: Hans Breuers
Zupfgeigenhansl erschien dann erstmals
1909.
Das dazu ungefähr passende Mädchen dagegen ist eher up to date gekleidet mit
Strohhut, großer Schleife und kurzem, praktischem Kleid, darunter ein Hosenrock,
unterm Knie geschnürt – fast wie bei einem Fahrradkostüm. Obwohl der Kopf
unproportional viel zu groß ist, fast wie bei einem Kleinkind, hat sie unkindliche Züge.
Sie dirigiert mit einem ziemlich großen Stock, den sie fast mittig hält, als ein Stück
Frauenemanzipation – freilich vor allem die beiden Maikäfer. Zu diesen blicken beide
Geschlechter hinauf. Daß sich Maikäfer durch große Fruchtbarkeit und periodisches
Massenauftreten auszeichnen, kann ein nicht bewußter Subtext sein, der dem Ganzen
eine zusätzliche Färbung gäbe.
Die Szene »Unter dem Weihnachtsbaum am Hl. Abend« von 1897 (Abb. 53) hält, was
der Titel verspricht. Das Mädchen spielt mit der schönen Puppenstube, das Baby auf
dem Arm der Mutter, die der Vater liebevoll um die Schulter nimmt, gestikuliert mit der
Rassel dem glänzenden Lichterbaum auf dem Gabentisch entgegen. Auf dem Tisch liegt
unter anderem eine Kanone, nicht zuletzt ein potentielles Lärminstrument. Faktisch
bereits Lärm macht der Junge, der, auf dem naturalistischen Schaukelpferd sitzend, den
Kürassierhelm auf dem Kopf mit maskenhaft-starrem Gesicht, mit der Rechten den
Säbel schwenkt, und mit der Linken die Trompete hält, in die er offensichtlich kräftig
hineintrötet.
Ad Spectatores: Adressatenbezug und Publikumsaktivierung
Eine Chromolithographie mit Goldprägedruck entfaltet für Pfingsten 1904 eine
besonders gelungene schöne Verbindung von Akustischem und Optischem (Abb. 18). In
einer Waldlichtung, vor einem Stapel mit geklaftertem Holz, ist auf dem Boden
ein Tischtuch mit Wein, Brot und anderem ausgebreitet; dazu ein Paar, er
griechisch-römisch halb liegend, sie stehend: ein Dejeuner sur l’herbe, selbstverständlich
aber – man spricht Deutsch – ohne Akt, also doch bloß ein Picknick. Die beiden beziehen
sich auf jemanden außerhalb des Bilds. Es ist sicher nicht der Messias, auf den in
Breughels Bauernhochzeit – als außerhalb des Bildes – der Dudelsackpfeifer
blickt9
So eine Entdeckung der Kunstsoziologin Anabella Weismann.
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sondern es sind Bekannte. Er prostet den unsichtbaren Ankommenden mit erhobenem
Glas zu, sie winkt mit dem Taschentuch (im Jargon der Zeit »schelmisch« blickend) und
ruft ihnen