- 152 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Schwester Paula Loebenstein, Abadia de Santa Maria, die ich bis dahin nicht kannte, gab. Um dort meine Schwierigkeiten anzubringen, nahm ich die Einladung an, und wir gingen gemeinsam zum Unterricht.

Die ersten Erklärungen über Ton, Modus und andere Verfahren für die Gregorianik gaben mir Erleuchtung. Ich erkannte die tiefen Kenntnisse über musikalische Vorgänge und schöpfte aus dieser reichen Quelle, die fähig war, meinen armseligen Geist zu erleuchten und den Durst zu stillen, der mich quälte. Am Ende dieser ersten Begegnung mit meiner lieben Meisterin Schwester Paula erlitt mein Herz den Schock einer großen Entdeckung. Ich befand mich vor der ersehnten Realität. Es existierte also ein sicherer Weg, den ich so lange gesucht hatte und, was noch außergewöhnlicher war, es existierte jemand, der ermutigte, der die Dinge entdeckte und ein sicherer Führer war, der mich mit der Liebe und dem Heroismus eines Meisters führte, um das notwendige Ziel zu erreichen.

Ich fing nun mit den ersten Übungen an, mit dem Tonbewußtsein in ihrer gegenseitigen Beziehung, und zu gleicher Zeit bildete ich das rhythmische Bewußtsein und den Tonsinn. Zu gleicher Zeit übte ich die Handzeichen, die funktionale Sprache, Improvisation, Diktat, Geschichte und den ganzen wunderbaren Zusammenhang der Musik. Zu dieser Zeit näherte sich der Zeitpunkt, den neuen offiziellen Kursus, der mir so viel Sorge bereitet hatte, zu beginnen. Nun aber war ich in strahlender Sicherheit. Ich war in dem Maße sicher, in dem ich bisher meine Ausbildung genossen hatte, und konnte schon mit absoluter Sicherheit Grundsätze zu einer soliden Ausbildung meiner Schüler anwenden.

Aber es erwarteten mich neue Schwierigkeiten. Meine ersten Schüler, die an die üblichen Methoden gewöhnt waren, und die nicht wie ich die Gründe hatten, einen besseren Weg zu suchen, sahen nun mit größerer Klarheit ihre Unfähigkeit, und dies war schwer zu bekämpfen. Sie wollten an den traditionellen Methoden festhalten, und es bedurfte vielen Mutes und Ausdauer, um sie zu überzeugen, obgleich einige schon Diplomierte mit den alten Systemen nicht vom Blatt singen konnten. Angesichts der nicht begabten Schüler mußten sich allmählich die begabten überzeugen lassen. Denn die Schüler, die weder Tonhöhen noch die Funktionskraft erkannten, machten erstaunliche Fortschritte. Nur langsam erklärten sich die begabteren bereit, ernsthaft den neuen aufgezeigten Weg zu studieren.

Um sie endgültig zu überzeugen, war es nötig, sie von ihren eigenen Fehlern zu überzeugen. Und als die Bescheideneren unter den Schülern ein fehlerloses Diktat aufweisen konnten, wenn dies auch erst einfach war, und als diese Melodien vom Blatt singen konnten, gab es keine Schwierigkeiten mehr.

Ich brauchte zuerst die Taktik, den Wunsch in ihnen zu wecken, die bekanntesten Stücke lesen zu können. Mittels der »Kontrolltöne«, die so vorteilhaft für die Sicherheit des gehörmäßigen Erfassens sind, fingen sie an, diese Melodiestücke auch in beliebten Melodien zu erkennen. Dann waren sie fähig, eigene


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