- 153 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Melodien zu improvisieren, indem sie diese »Kontrollwendungen« anwendeten, und schließlich kamen sie dazu, Musikdiktat[e] ohne Fehler schreiben zu können.

Rhythmussilben, die musikalischen Kräfte führen langsam und organisch den Schüler zur Entwicklung seiner inneren Fähigkeit. Er entdeckt mit Freuden, daß er innerlich diese Kräfte realisieren kann, Mit Hilfe dieses Prozesses, lassen sich alle »Pädagogischen Prinzipien« in der Musikerziehung anwenden und, wo man der Wahrheit begegnet, entsteht die Sicherheit und der totale Erfolg der »Musikerziehung«.

Als wir nun dieses Resultat mit den Schülern erreicht hatten, mußten wir noch weitere Schwierigkeiten erleiden, und zwar größere. Denn es handelte sich nun darum, unser System obligatorisch zu machen, Und dies, ehe unser System schon wie heute verbreitet war. Die Direktoren, an ihre didaktischen Prinzipien gewöhnt und nicht in der Lage, neue Methoden zu studieren, reagierten gegen uns, besonders gegen die Nomenklatur do-re-mi.

Aber, nachdem die Schüler sich Tonika Do völlig vertraut gemacht hatten, verteidigten sie selber diese Lehre und bewiesen, daß sie durch diese die größten Mängel beseitigt hatten, und daß sie dadurch die Musik wirklich bewußt ausführen konnten.

Zuerst, als wir fühlten, daß wir die Lehre gefährdeten und als Revolutionäre betrachtet wurden, versuchte ich alle Tonarten mit do-re-mi (d. h. mit den absoluten Tonnamen) zu unterrichten und die Molltonarten mit la-si-do (hier auch absolute Benennung). Aber es fehlte etwas an der Lehre, und nach ungefähr dreijähriger Erfahrung benutzte ich die relativen Silben da-me-ni, und do-re-mi für die absolute Benennung.

Also, seit 1949 haben wir unseren »Kreuzzug« weiter entwickelt. Dann, als die Direktoren die »unmöglichen« Resultate der unbegabten Schüler konstatierten, waren wir beruhigt und können die Methode nun in aller Vollständigkeit anwenden. Wie es natürlich ist, kommen alle Jahre wenig begabte Schüler zum Unterricht, und gerade diese erfahren die größte Bereicherung und Belohnung. Ich erinnere mich eines Mädchens, das ihr letztes Examen für Vomblattsingen machen mußte im Jahre 1953. Sie war sehr nervös und weinte bei jedem Anlaß. Folgendes Los fiel auf sie: »Vomblattsingen in Moll mit Modulation und Akzidentien«. Ich gab ihr eine Melodie in a~Moll, mit 24 Takten, vielen Modulationen und Kreuzen und B, Sie fing an, mehr zu weinen, aber ihre Sicherheit war so groß, daß, selbst weinend, sie nicht einen Fehler machte. Die Klasse war begeistert und brachte ihr Ovationen dar, und sie selbst, voll tiefer Dankbarkeit, kam, um mich zu umarmen. Im Halbjahresexamen des vergangenen Jahres gab ich ein Diktat in Moll, nachdem ich sehr gelungene Vorübungen in verschiedenen Tonhöhen in den vorhergehenden Wochen gemacht hatte. Ich war wirklich überrascht, als ich den dreizehn Schülern der Vorbereitungsklasse die höchste Nummer geben konnte.


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